Schwaben-Hass
Möck kämpfte mit sich selbst, hatte Mühe, sich zurückzuhalten. »Meine Schwester hat es mir ausführlich genug beschrieben«, geiferte sie, »seit Sie so freundlich waren, Ilka dorthin zu bringen.«
Hass, es war der reine Hass.
Braig wandte sich von ihr ab, streckte ihr den Rücken zu, wartete, bis sie den Raum verlassen hatte. Dann zog er sein Handy vor, läutete bei Frau Eisemann an, fragte, ob sie für einen kurzen Ausflug Zeit fände, gab nach ihrer Zustimmung im Amt Bescheid. Kriminalmeister Stöhr notierte sich die beiden Adressen, sagte zu, sofort einen Kollegen vorbeizuschicken.
Ilka Breidle lag unter der flauschigen Decke, schien zu schlafen. Braig wartete, ließ sie in Ruhe. Er hörte, wie in einem anderen Raum der Wohnung Schranktüren zuschlugen, dann trat Luise Möck wieder ins Zimmer.
»Was wollen Sie von ihr wissen?«, fragte sie. Ihre Stimme klang nicht weniger barsch als wenige Minuten vorher.
»Wir suchen nach Verbindungen ihres Schwagers zum Kosovo oder nach Mazedonien. Wissen Sie, ob er dort war?«
Die Antwort kam auf der Stelle. »Was sollte er dort? Kosovo, Mazedonien? Sie meinen den Krieg, oder?«
Braig nickte.
»Er war nicht dort. Ganz sicher nicht«, erklärte sie. »Dazu war er viel zu feige.«
»Er war Journalist.«
»Journalist?« Luise Möck lachte laut. »Er war geil, feige und verlogen. Sonst nichts.«
»Ich sprach von seinem Beruf.«
»Beruf, ach was. Frauen ausnehmen, das war sein Beruf. Das einzige, was er beherrschte. Die einen im Bett, die anderen im Sterben.«
Braig horchte auf. »Im Sterben?«
»Sein Geld. Die Erbschaft. Sie wissen nichts davon?«
Er nickte. »Doch. Fast drei Millionen.«
»Genau. Die Herkunft ist Ihnen bekannt?«
»Er hat es geerbt. Sie erwähnten es selbst.«
»Geerbt.« Luise Möck zischte durch die Zähne. »Er hatte das Glück, dass eine der Frauen, die er damals neben meiner Schwester vögelte, ziemlich schnell an Krebs starb. Weil er von ihrem Geld wusste, betreute«, sie sprach das Wort in deutlich abfälligem Ton, »sie der Herr besonders intensiv. So durchgevögelt wie in den letzten Monaten ihres Lebens wurde sie zuvor garantiert nie.« Der reine Hass sprach aus ihr.
»Sie sind sehr zynisch.«
»Zynisch? Sie haben Humor. Mein Herr Schwager verdient Millionen, indem er sich sogar noch mit Schwerkranken im Bett vergnügt und meine Schwester glaubt derweil, er sei schwer beschäftigt als Journalist unterwegs. Hans Breidle war der Zynismus in Person, – nicht meine Worte.«
»Ihre Schwester wusste nichts von seinen Eskapaden?«
Luise Möck schüttelte den Kopf. »Sie war so dumm, wie nur verliebte Frauen sein können, glaubte dem Kerl alles aufs Wort. Der wusste genau, was er vorbringen musste, wenn sie ihn tagelang vor lauter Weiberaffären nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte. Um Ausreden war Breidle nie verlegen. Der erfand die schönsten Schauermärchen, um sich rein zu waschen. Und Ilka war so naiv, ihm wieder Glauben zu schenken und sich weiter an der Nase herumführen zu lassen. Ich weiß nicht, woher es kommt, dass es Männer mit manchen Frauen so leicht haben. Liegt es doch an den Genen? So erzogen wurden wir eigentlich nicht, Sie sehen es an mir.«
Ihre Schwester bewegte sich im Bett unruhig hin und her, schien aus ihrem Dämmerschlaf zu erwachen.
»Ich verstehe es bis heute nicht, wieso sie es ihm so leicht gemacht hat.«
»Sie wissen genau, dass er nicht im Kosovo oder Mazedonien war?«
Luise Möck warf ihm einen vernichtenden Blick zu. »Ich weiß natürlich nicht, wo er sich überall herumgetrieben hat, um immer neue Frauen aufzureißen. Aber beruflich, wie Sie es vorhin erwähnten, als Journalist, war er garantiert nicht dort.«
»Sie halten nicht viel von seinen beruflichen Fähigkeiten?«
Ilka Breidle hatte sich zur Seite gedreht, betrachtete Braig mit weit aufgerissenen Augen. »Sie, Herr Kommissar?«
Braig zuckte mit der Schulter, kam nicht dazu, ihr zu antworten.
»Außer im Bett und im Betören von Frauen hatte der Mann keine Fähigkeiten«, erklärte Luise Möck mit harter Stimme.
Er wusste nicht, ob Ilka Breidle verstand, was ihre Schwester hier verlautbar te.
»Blödsinniges Gestammel im Radio, dämliches hohles Geschwätz ins Mikrofon, das ist alles, was er journalistisch draufhatte«, fuhr Luise Möck fort. »Sie hätten es sich anhören sollen, dann wüssten Sie Bescheid.«
Braig stimmte ihr insgeheim zu, gab aber nicht zu erkennen, dass er Auszüge aus Cools Sendungen gehört hatte. Er
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