Schwaben-Hass
schwieg, ließ die Frau weiterreden.
»In ein Kriegsgebiet zu reisen, hätte er nie gewagt. Dazu war er viel zu feige. Wozu auch? Seit der Riesen-Erbschaft hatte der Herr Schwager solche anstrengenden Touren sowieso nicht mehr nötig.«
»Vielleicht war er im Urlaub dort.«
»Im Kosovo?« Luise Möck schüttelte energisch den Kopf. »Nein. Wirklich nicht.«
»In Jugoslawien.«
»Sie täuschen sich. Er hatte sein Stammhotel in Spanien. Genauer gesagt in Benidorm. Sie fuhren jedes Jahr …« Die Wohnungsglocke läutete, ließ sie erstaunt aufsehen. »Erwarten Sie jemand?«
Braig nickte. »Eventuell. Ein Kollege.«
Sie verließ den Raum, lief zur Wohnungstür. Braig hörte, wie sie öffnete, dann von einer ihm unbekannten Frau angesprochen wurde. Er erhob sich von seinem Stuhl, lauschte an der offenen Tür.
Plötzlich war die Stimme Frau Eisemanns deutlich zu vernehmen. »Die isch es, sag i Ihne, die isch es!«
Braig eilte durch die Diele, sah Frau Möck im heftigen Disput mit einer ihm fremden, wie er urteilte, auffallend hübschen jungen Frau, einen Schritt dahinter Bertha Eisemann.
»Ich verstehe nicht, was Sie hier wollen«, erklärte Luise Möck mit energischer Stimme, den beiden Frauen den Eintritt breitbeinig verwehrend.
Braig schob sich neben sie, wurde von Bertha Eisemann sofort in Beschlag genommen. »Herr Kommissar, die isch es, i sags Ihne, so wahr i hier stand, die hat den Streit mit dem Breidle ausgfochte!« Sie zeigte mit hoch erhobener Hand auf die Wohnungsinhaberin, wirkte äußerst aufgeregt. »Und wie die mit dem grauft hat, Sie glaubets net!«
Luise Möck stand hoch aufgerichtet neben ihm, betrachtete die nervöse Frau im Treppenhaus mit abschätzigen Blicken. »Von wem sprechen Sie?«
»Von Ihne! Sie warets, des woiß i genau!«
Steffen Braig versuchte zu vermitteln, bat Frau Möck um Erlaubnis, die beiden Besucherinnen in die Wohnung zu führen. Er gab der Begleiterin Frau Eisemanns, die sich als Ann-Katrin Räuber vorstellte, die Hand, fand keine Zeit, die bildhübsche junge Beamtin genauer anzusehen. Irgendwann hatte er ihre Stimme schon einmal gehört.
Luise Möck leistete nicht länger Widerstand. Sie bot ihnen im Wohnzimmer Platz an, spürte, dass sie Frau Eisemanns vehementen Beschuldigungen auf Dauer nicht ausweichen konnte. »Na und? Hatten Sie noch nie Streit?«
»Sie waren also in Esslingen in seinem Appartement?«, fragte Braig.
»Ist es verboten?«
»Natürlich nicht. Aber wir ermitteln in einem Mordfall.«
»Die hätt ihn beinahe noch im Treppehaus erschlage«, mischte sich Bertha Eisemann ins Gespräch, »richtig gewalttätig war die.«
»Schau an, schau an. Sie waren wohl direkt mit dabei, wie?« Luise Möcks Stimme klang spöttisch, voller Hohn. Sie stand hoch aufgerichtet vor den anderen, warf Bertha Eisemann einen abschätzigen Blick zu.
»Jawohl, genau des. I han hinter der Tür glauert und alles mitkriegt. Alles! Und als i die Tür aufgmacht und durch den Spalt guckt han, wäret sie auf der Trepp, koine drei Meter von mir entfernt. Sie, genau Sie!«
»Von Neugier zerfressen. Die ekelhafte Klatsche von nebenan.« Luise Möcks Seitenhieb saß, verschaffte ihr für einen Moment Ruhe.
»Sie waren also dort«, sagte Braig. »Vor zwei Wochen etwa. Darf ich wissen, warum?«
»Ich glaube nicht, dass das Sie interessiert.«
»Sie täuschen sich. In einem Mordfall spielen auch scheinbar weniger wichtige Dinge eine Rolle.«
»Nicht vor Publikum.«
»Gut. Dann gehen wir nach draußen. In die Küche?« Braig blickte Frau Möck fragend an, erhob sich von seinem Platz.
Sie nickte mit mürrischer Miene, lief widerstrebend vor ihm her. Die Küche wirkte neuwertig; helles Holz, wohl Erle, mit schlanken, im selben Ton gehaltenen Griffen, als Einbaumobiliar, dazu ein schmaler Tisch mit zwei Stühlen.
»Wollen Sie mich jetzt verhören?« Luise Möck zeigte auf die Stühle, setzte sich.
»Warum waren Sie in Esslingen? Weshalb stritten Sie so heftig miteinander?« Braig nahm ihr gegenüber Platz, schob einen kleinen Blumenstrauß zur Seite, um seine Gesprächspartnerin besser beobachten zu können.
»Er wollte sich scheiden lassen. Das Schwein wollte sich davon machen.«
»Und?« Braig verstand nicht, was sie daran so aufregte. »Sie erzählen mir doch die ganze Zeit, dass er ihre Schwester laufend betrog. Wäre eine Scheidung nicht die richtige Konsequenz?«
»Sie begreifen wohl überhaupt nichts, wie?«
»Nein. Hatte Ihre Schwester Angst, er würde zu wenig zahlen?
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