Schwaben-Hass
Freundin aus dem Ammerschlag genau im Ohr.
Die andere liegt seit heute Morgen in einem Safe.
Plötzlich glaubte sie zu verstehen, wo der Fehler lag. »Was wir falsch gemacht haben?« Sie starrte ins Wasser des Sees, sah, wie die Lichter der Straßenbeleuchtung, die vor wenigen Minuten angegangen waren, sich in ihm spiegelten. »Ich glaube, ich weiß es.«
Klaus Weidmann sah müde zu ihr hinüber.
»An dem Tag, als sie mir im Ammerschlag davon erzählte, war sie morgens in Winnenden, um Nuhr, Ihren Kollegen zu treffen. Sie liegt seit heute Morgen in einem Safe, berichtete sie mir abends. Seit heute Morgen. Verstehen Sie, was ich meine?«
Der Journalist wurde langsam wieder wach, betrachtete sie interessiert.
»Seit heute Morgen, sagte sie.«
Michaela König spürte förmlich, wie es in dem Mann arbeitete. Weidmann richtete sich auf, nickte mit dem Kopf. »Der Architekt in der Esslinger Frauenkirche, mit dem ich über Gotteshäuser mit besonderem Baustil sprach, empfahl mir die Schlosskirche in Winnenden. Könnte es das sein?«
»Genau«, stimmte sie ihm zu, »Verena fuhr morgens von Tübingen nach Winnenden, um sich dort mit Nuhr zu treffen. Bevor es zu dem Kontakt kam, verwahrte sie die Diskette im Safe. Sie hatte panische Angst davor, Verbindung mit Journalisten aufzunehmen, weil sie davor gewarnt worden war, deshalb wollte sie sichergehen. Sie deponierte das Material in der Kirche dort weitab von Tübingen. Die Schlosskirche in Winnenden ist ihr Safe.«
40. Kapitel
Kurz vor vier Uhr an diesem Nachmittag hatte Luise Möck ihr Geständnis, ihren Schwager Hans Breidle mit dessen Fahrzeug bewusst überfahren und getötet zu haben, unterschrieben. Der Entschluss des Mannes, die Scheidung einzureichen, der ihr bei einer der vielen Auseinandersetzungen, die sie meist in Abwesenheit ihrer Schwester mit ihm ausgefochten hatte, bekannt geworden war, hatte sie zu dieser Verzweiflungstat getrieben. Diese Absicht wirkte auf sie wie der Funke in einem Pulverfass, hatte sie Braig abschließend erklärt.
»Ich konnte einfach nicht mehr länger mit ansehen, wie völlig gleichgültig der Kerl mit dem Leben meiner Schwester spielte. Sie hätte es nicht überlebt«, war Luise Möck überzeugt, »eine Scheidung hätte ihr das Genick gebrochen.«
»Und so glaubten Sie, es wäre besser, wenn dasselbe mit ihm geschehe«, hatte der Kommissar erwidert.
Luise Möcks Blick war deutlich genug ausgefallen, sie hätte sich ihre Worte sparen können. »Ich hasste das Schwein. Sie können sich nicht vorstellen, wie. Und auch wenn mich das zusätzliche Jahre kostet, sage ich es Ihnen: Ich habe es gern getan. Ich bereue nichts. Überhaupt nichts.«
Sie hatte ihren Schwager darum gebeten, ein Stück mit seinem Wagen fahren zu dürfen, war dann, nach der beiläufigen Erwähnung, dass er die Scheidung einreichen wolle, auf die Idee verfallen, den Aufprall eines kleinen Steines auf die Vorderfront des Fahrzeugs zu behaupten, weil sie um seine neurotische Besorgnis um das Wohlergehen des Autos wusste. Er hatte ihr sofort befohlen anzuhalten, um den angeblichen Schaden zu begutachten, war ausgestiegen, hatte die gesamte Karosserie des Wagens sorgsam abgetastet.
»Sie hätten es sehen sollen«, hatte sie voller Hass erklärt, »seine traurigen Augen, seinen sorgenvollen Blick. Die gesamten zweiundzwanzig Jahre, die er mit Ilka verheiratet war, hatte er nicht so viel Zuneigung und Zärtlichkeit aufgebracht wie in diesen paar Minuten, als er vor seiner Karre stand und behutsam über das Blech fuhr. Der hatte fast glasige Augen, als er eine winzige Delle auf seinem Heiligtum spürte. Dass ihm die Tränen nicht in Strömen herunterliefen, wundert mich heute noch. Glauben Sie, das ließ mich kalt? Ilka und deren Gefühle behandelte er wie den letzten Dreck, aber hier, bei diesem leblosen Blech geriet er in eine Erregung, die fast krankhaft war. Sie sollten meine Schwester fragen, wie sehr sie unter seiner Ignoranz ihr gegenüber litt. Ich musste das Pedal durchtreten, es ging nicht anders, verstehen Sie?«
Ann-Katrin Räuber, die junge Kriminalmeisterin, die Braig mit Frau Möck nach Stuttgart zurückbrachte, hatten die Worte der Frau nicht kalt gelassen. »Ich habe den Mann nicht gekannt, wahrscheinlich zu meinem großen Glück. Aber ich glaube, ich kann das Verhalten der Frau ein Stück weit nachvollziehen. Auch wenn mich ihr Hass erschreckt.«
Braig hatte die hübsche Beamtin verwundert betrachtet, fühlte sich angerührt von ihrem Anblick,
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