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Schwaben-Hass

Schwaben-Hass

Titel: Schwaben-Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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entfernt, unterhielt sich angeregt mit einem fremden Mann, der ihr den Rücken zuwandte. Sie hörte, dass sie über Kirchen sprachen, Gebäude mit besonderem Baustil, begriff endlich, dass sie sich getäuscht, zum Glück einem Irrtum zum Opfer gefallen war. Der Mann drehte sich um, warf ihr einen freundlichen Blick zu, nickte, verabschiedete sich von ihnen. Er hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem Verbrecher, den sie in ihm vermutet hatte.
    Weidmann kam zu ihr, setzte sich in die Bank. »Geht es besser?«
    Michaela König nickte. »Tut mir Leid. Ich dachte im ersten Moment …«
    »Ich weiß. Sein Bart.« Er drehte sich zur Seite, betrachtete die von der Sonne hellerleuchteten bunten Glasfenster, die verschiedene Szenen aus dem Leben Jesu darstellten.
    »Ich glaubte schon, alles sei vorbei.«
    Weidmann legte ihr die Hand auf die Schulter, versuchte, sie zu beruhigen. »Er hat sich mehrfach entschuldigt. Ein dummer Zufall. Aber wir haben es bald geschafft.« Er lächelte ihr aufmunternd zu, merkte, dass er damit wenig Erfolg hatte. »Ich habe mich mit ihm über außergewöhnliche Kirchengebäude im Raum Stuttgart unterhalten. Der Mann ist Architekt, er kennt sich aus.«
    Sie atmete tief durch, richtete sich auf. »Sie meinen, wo Verena die Diskette versteckt haben kann?«
    »Genau. Er hat mir mehrere Kirchen empfohlen. Ich glaube, ich weiß jetzt, wo es sich nachzuschauen lohnt.«
    Weidmann blieb noch einige Minuten bei ihr sitzen, erhob sich dann, suchte die restlichen Bänke ab. Vergeblich, von einer Diskette oder anderem Material keine Spur.
    Dreißig Minuten später verließen sie das Gotteshaus, aßen auf dem Weg zum Bahnhof in einem Lokal eine warme Mahlzeit. Weidmann erzählte seiner Begleiterin von den Ausführungen des Architekten, einigte sich mit ihr darauf, zuerst nach Herrenberg an den Südrand der Region zu fahren.
    Die Stiftskirche auf dem Bergsporn über der Stadt am Rand des Gäus war vom Zug aus schon lange vor dem Erreichen der ersten Häuser gut zu erkennen. Majestätisch überragte das gewaltige Bauwerk die von engen Gassen durchzogene, von frisch restaurierten Fachwerkhäusern geprägte Altstadt. Vom Bahnhof keine zehn Minuten entfernt, bot der Platz vor der Kirche einen prächtigen Rundblick hin zu den Bergen des Schwarzwalds, die sich nur wenige Kilometer entfernt in die Höhe schoben.
    »Was für Herrenberg spricht, ist die Nähe zu Tübingen«, meinte Weidmann, als sie das Gotteshaus betraten, »die Stiftskirche liegt nahe am Bahnhof und ist aufgrund ihrer exponierten Lage nicht zu übersehen. Ich schätze, wir haben Glück.«
    Keine Minute später war seine Hoffnung in pure Enttäuschung umgeschlagen.
    Die Kirche zeigte zwar einen beeindruckend hellen, von einer virtuos gemeißelten Steinkanzel und filigran geschnitztem Chorgestühl gekrönten gotischen Innenraum, wies jedoch keine Bänke, sondern einfache, mit einem Korbgeflechtboden ausgestattete Stühle auf. Sie brauchten sich nicht weiter bemühen, als Versteck war das Mobiliar völlig ungeeignet. Frustriert kehrten sie der Kirche nach wenigen Minuten den Rücken. Auch das kunstfertige Chorgestühl hatte Litsche nicht genutzt; Weidmann war trotz unzähliger Besucher des Gotteshauses nach vorne geeilt und hatte das Holz untersucht.
    »Was jetzt?«, fragte Michaela König, als sie um eine Enttäuschung reicher wieder in die mittelalterlich anmutenden Altstadtgassen rund um die Herrenberger Stiftskirche eintauchten. »Haben Sie den Glauben an das Schatzsucherspiel noch nicht verloren?«
    Die rettende Idee kam ihnen erst gegen Abend, als sie noch die als Vesperkirche genutzte Stuttgarter St.Leonhardskirche, die Winter für Winter zur Armenspeisung und als kostenlose ambulante Krankenstation benutzt wurde, sowie die am Feuersee in der Stuttgarter Innenstadt gelegene Johanneskirche untersucht hatten.
    »Welchen Fehler haben wir begangen? Was haben wir übersehen?«
    Michaela König sah die zweifelnde Miene des Journalisten. Sie standen am Ufer des Feuersees, genau über der gleichnamigen S-Bahn-Station, starrten auf die Kirche, die auf einer schmalen Halbinsel ins Wasser ragte.
    »Sie halten meine Idee vom Schatzsucherspiel für falsch?«
    Weidmann reagierte nicht.
    »Verena hat den Ausdruck selbst benutzt, ich erinnere mich genau.«
    Ich habe zwei Kopien. Auf Diskette. Eine habe ich weitergegeben, die andere liegt seit heute Morgen in einem Safe. Du erinnerst noch das Schatzsucherspiel …
    Michaela König hatte die Worte ihrer

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