Schwaben-Hass
Stimme der Frau. »Sie haben Interesse an dem Material?«
»Muss ich das noch betonen?« Die Person am anderen Ende der Leitung lachte. Ein böses, hämisches Lachen. »Nein, das müssen Sie nicht betonen. Das ist mir schon klar.«
Vera Basedow betrat den Raum, wollte an ihrer Kollegin vorbei. Markey packte sie am Arm, deutete mit rollenden Augen auf den Telefonapparat. »Sie haben das gesamte Material von Frau Litsche?«, fragte sie laut.
Basedow riss den Kopf zur Seite, starrte sie überrascht an, presste dann ihr Ohr mit an den Telefonhörer.
Markey deutete auf die Lautsprecher-Taste, sah Basedows heftiges Abwinken. Sie verstand die Bedenken der Kollegin. Sie durften die Anruferin nicht verunsichern.
»Direkt von ihr. Sie hat die Diskette vorgestern bei mir hinterlegt.«
»Wo sind Sie?«
»Das tut nichts zur Sache.«
Basedow kniete sich auf den Boden, lehnte sich an den Drehstuhl, ihr Ohr am Hörer.
»Wie kommen Sie auf uns?«, fragte Bettina Markey.
»Sie gab mir ihre Nummer«, erklärte die Frau, »wenn irgendetwas wäre, sollte ich anrufen. Das ist jetzt der Fall mit ihrem Tod, wie?«
Motoren brummten, Autos fuhren vorbei. Sie stand wohl in einer Telefonzelle.
Markey wusste nicht, was sie antworten sollte.
»Also, was ist, haben Sie Interesse an der Diskette? Verena meinte, für Ihre Zeitung sei es sehr wichtig.«
Verena. Sie war per Du mit ihr. Verwandt oder bekannt.
»Sie wollte es bei uns veröffentlichen. Monatelange Arbeit steckt in der Sache. Wir warten seit Tagen auf das Material.«
»Also«, sagte die Frau, »dann können wir ja miteinander ins Geschäft kommen.«
»Sofort«, erklärte Markey, »wo dürfen wir die Diskette abholen?«
Die tiefe Stimme am anderen Ende der Leitung lachte. »Das klingt ganz vernünftig. Aber erst sollten wir die Hauptsache klären.«
»Ja?« Markey wartete gespannt.
»Was zahlen Sie dafür?«
»Zahlen?« Ihre Stimme überschlug sich fast. »Hören Sie …«
»Wenn Sie es nicht wollen, biete ich das Material einer anderen Zeitung an.«
»Wie stellen Sie sich das vor? Wir sind kein reiches Blatt. Wir zahlen das Honorar, das wir mit Frau Litsche vereinbart haben.«
»Eine Million. Mindestens.«
Bettina Markey schnappte nach Luft. Basedow sprang auf, starrte sie mit großen Augen an.
»Hören Sie, wir zahlen das Honorar für die Veröffentlichung. Das wird eine ziemlich große Summe sein, schließlich ist die Arbeit umfangreich und sehr brisant, jedenfalls soweit ich weiß.«
»Eine Million. Umfangreich und sehr brisant, sie sagen es selbst.«
Basedow hatte sich wieder gefangen, ging in die Knie, hörte erneut mit.
»Eine Million ist zu viel. Das können wir nicht zahlen. Kennen Sie die tageszeitung ? Dann wissen Sie, dass dies unsere Möglichkeiten übersteigt.«
Die Frau zögerte einige Sekunden, wiederholte dann ihre Forderung. »Eine Million. Oder ich biete die Diskette einer anderen Zeitung an.«
Bettina Markey überlegte fieberhaft. Hinhalten. Scheinbar auf sie eingehen. Runterhandeln. »Moment«, sagte sie, krampfhaft nach den passenden Worten suchend, »ich weiß nicht, wer Sie sind.«
Ein Lastwagen dröhnte am anderen Ende der Leitung vorbei.
»… werden Sie auch nie erfahren.«
»Gut. Aber gleichgültig, wer Sie sind, wenn Sie Frau Litsches Material haben, befinden Sie sich in größter Gefahr.«
»Gefahr?« Die Frau lachte. »Sie wollen mir Angst machen.«
»Unser Kollege, dem sie ihre Recherchen übergeben wollte, wurde ebenfalls ermordet.«
»Na und? Vielleicht hatte er Streit mit dem Ehemann seiner Geliebten.«
Bettina Markey widersprach sofort. »Nein, ganz bestimmt nicht. Er wurde ermordet, als er mit Frau Litsche zusammensaß und mit ihr über ihr Projekt redete.«
Die Frau am anderen Ende verstummte für einen Moment.
»Und Sie wissen selbst, dass Frau Litsche ebenfalls ermordet wurde«, fuhr Markey fort, »Sie glauben doch nicht an Zufall, oder?«
»Ach was! Sie wollen mir einen Bären aufbinden. Sie wurde von ihrer Freundin getötet.«
»Freundin? Was für eine Freundin?«
»Was weiß ich. Sie brachten es im Radio.«
»Freundin! Das glauben Sie doch selbst nicht. Sie arbeitet seit Monaten an einer äußerst brisanten Untersuchung und als sie die Unterlagen übergeben will, wird erst der Journalist ermordet, der das Material veröffentlichen will und kurz darauf sie selbst. Freundin?«
Die Anruferin schwieg einen Moment, schien zu überlegen.
Basedow richtete sich mühsam auf, lehnte sich an Markeys Stuhl, um das
Weitere Kostenlose Bücher