Schwaben-Hass
wollen zu mir?«, grüßte Braig.
Stöhr hatte Mühe, seine Gedanken in Worte zu fassen. »Hm, es ist so, ich soll Ihnen die Übersetzung des Fax aus Italien bringen.«
»So schnell? Wer hat es übersetzt?«
»Hauptkommissar Felsentretter.«
Braig nahm die Papiere dankend entgegen, öffnete die Tür zu seinem Büro. Die Sonne blendete ihn, tauchte den Raum in ein grelles unwirkliches Licht. Der April ließ grüßen.
Braig, noch nass vom letzten Regenguss, hängte seine Jacke an die Garderobe, legte die Blätter auf den Schreibtisch. Der Kopf des Schreibens signalisierte, dass es noch gestern Abend kurz vor 21 Uhr im Amt eingegangen war. Die spinnen vor Eile, die Italiener, dachte Braig.
Er wischte eine Hand voll nasser Tropfen aus seinen Haaren, überflog Felsentretters Übersetzung. Der Kollege legte in einem einleitenden Satz Wert darauf, dass er sich zwar um korrekte Übersetzung, nicht jedoch um die literarisch wohl ausgefeilte Formulierung bemüht und den Text mittels seines gewohnten Sprachprogramms in den Computer eingegeben habe.
Die kurze Abhandlung bestätigte die geschilderte Darstellung der in Italien geschehenen Verbrechen bis ins Detail. Der Albaner Hasim Foca war in der Nacht vom 3. auf den 4. Juni 1997 in die Villa des Fabrikantenehepaars Faletti eingedrungen und hatte die Frau und den Mann im Schlaf getötet, dabei durch bewusste Verwüstung mehrerer Räume einen Raubmord vorgetäuscht. Zwei Wochen später hatte er den Abgeordneten des Parlaments der Lombardei, Fabio Trisimento erschossen, eine Woche darauf den Journalisten Claudio Caltrine, der im Auftrag mehrerer überregionaler Blätter mafiose Strukturen in der Regionalpolitik aufzudecken versuchte.
Braig stockte beim Lesen dieses Abschnitts, dachte sofort an Nuhr. War die tageszeitung, nicht gerade durch ihre auffallend kritischen Berichte über etablierte und einflussreiche Politiker bekannt geworden? Zielten die Fotos, die den Minister in das Kindersex-Milieu involviert zeigten, zudem die Sammlung kritischer Berichte über den Mann, die sie in Breidles Büro gefunden hatten, nicht in dieselbe Richtung wie die Arbeit dieses italienischen Journalisten?
Das Läuten des Telefons riss ihn aus seinen Gedanken. Karl Heinz Reinhardt war am Apparat. »Tut mir Leid, ich bin schon wieder auf dem Sprung. Ich habe aber eine wichtige Neuigkeit für Dich. Es geht um Deinen Albaner.«
»Du hast etwas über ihn ermitteln können?«
Regenfontänen klatschten an die Scheiben. Die Weinberge über Untertürkheim, vielleicht zwei bis drei Kilometer vom Landeskriminalamt entfernt, glänzten dagegen im gleißenden Sonnenlicht.
»Gleich mein erster Versuch war erfolgreich. Ich ließ mir vom Labor die Abdrücke geben, verglich sie mit unserem Kosovo-Programm. Volltreffer. Der Kerl war auch im Kosovo aktiv. Wird von der Polizei dort gesucht unter anderem wegen Fahrerflucht, Schusswechsel mit italienischen Kfor-Soldaten und Mord an zwei Serben. Allerdings unter anderen Namen. Die Morde erledigte er als Baton Raxhi, den Schusswechsel und die Fahrerflucht als Azem Hiroghu. Alle Vorfälle gehen in den September und Oktober des letzten Jahres zurück.«
»Ihr habt Zugang zu den Polizei-Daten des Kosovo?«
»Seit Anfang des Jahres. Es gibt Bestrebungen, alle dort ermittelten Fakten an Interpol weiterzuleiten. Wird aber wohl noch zwei, drei Monate dauern.«
»Das bedeutet, dass unser Killer nach seiner Flucht aus Italien im Kosovo Zwischenstation einlegte, um dann nach Deutschland zu kommen. Richtig?«
»Diese Art Tourismus scheint im kriminellen Milieu weit verbreitet. Die Verbrecher erledigen ihre Aufträge, verschwinden dann sofort, manchmal für immer, in Sizilien, Kalabrien oder heute eben im Kosovo oder Albanien. Bei Bedarf werden sie wieder aktiviert, mit neuer Identität. Frischer Ausweis, anderer Name, neue Frisur. Dein Kandidat scheint von besonderer krimineller Energie bei seiner Liste von Delikten.«
»Dann müssen wir wohl damit rechnen, dass er längst aus Deutschland abgetaucht ist?«
»Falls er keinen dringenden Anschlussauftrag hat, ja. Aber seine Erfolge in Italien lassen die Lösung nicht unbedingt zwingend erscheinen.«
»Du hältst es für möglich …« Braig spürte die Schauer, die ihm über den Rücken liefen. Ihm wurde heiß und kalt zugleich. Wenn der albanische Mörder sich noch in Deutschland aufhielt, hatten sie zwar die Chance, den Kerl zu fassen, aber zugleich bedeutete das …
Beispiel Italien: Zuerst das Fabrikantenehepaar,
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