Schwaben-Hass
dann der Politiker, später der Journalist.
Der Regen prasselte in heftigen Kaskaden an die Scheiben. Das Licht am Horizont war verblasst.
»Ich kann das Verhalten dieses Kerls nicht beurteilen«, erklärte Reinhardt, »auf jeden Fall ist er ein größeres Kaliber. Der Typ ist gefährlich, sehr gefährlich.«
»Wer erteilt ihm die Aufträge? Läuft das außerhalb organisierter Banden?«
Reinhardt wusste keine Antwort. »Das haben wir nicht im Griff. Leider. Da gibt es jedes Modell. Einzelgänger mit speziellen connections, Bandenmitglied, Spezialkommando. Ich weiß es nicht. Wir haben zu wenig Einblick in die Szene.«
»Wie steht es mit Fotos? Gibt es die im Kosovo-Programm?«
»Zwei verschiedene. Du glaubst nicht, dass die beiden Gesichter vom selben Planeten stammen. Chinesen und Europäer sehen dagegen aus wie geklont.«
»Dann ist das Foto auf unserem Fahndungsplakat ebenfalls daneben.«
»Das ist wohl anzunehmen, ja.«
Reinhardt verabschiedete sich, versprach Braig, ihm die neuen Namen des Verbrechers sowie die beiden Fotos sofort rüber zu mailen.
Sie mussten die Fahndung sofort ändern, die neuen Informationen bekannt geben. Braig hörte den Signalton des Computers, der das Eintreffen der Botschaft meldete, bestätigte sein Interesse. Als er auf den Bildschirm schaute, ließen gleißend helle Sonnenstrahlen die Zeilen im Einheitsblau des Monitors verschwinden.
Entnervt erhob sich Braig von seinem Stuhl, rückte den Bildschirm in den Schatten. Reinhardt hatte vollkommen recht. Die beiden Gesichter auf dem Monitor hatten nichts miteinander gemein.
Braig ließ die Fotos samt Namen ausdrucken, verglich sie mit dem Bild, das sie von Interpol erhalten hatten und mit dem sie nach dem Verbrecher fahndeten. So sehr er sich bemühte, er konnte keinerlei Gemeinsamkeiten feststellen. Keine Ähnlichkeit der Augen, nichts Verbindendes an der Nase, kein charakteristisches Merkmal am Kinn oder auf den Wangen, das die drei Gesichter als das Abbild eines einzigen Menschen erkennen ließ. Es schien, als habe der Mann die Köpfe verschiedener Personen für seine jeweilige Identität benutzt.
Plötzlich entdeckte Braig den Hauch eines Muttermals in der rechten Gesichtshälfte unterhalb des Auges. Regen prasselte wieder an die Scheiben, der Lichteinfall war drastisch gedämpft. Das winzige Muttermal ließ sich bei genauem Hinsehen auf allen drei Fotos erkennen.
Er drehte den Bildschirm wieder in die gewohnte Richtung, gab seine Entdeckung in den Computer ein. Das Muttermal war das einzige Kennzeichen, durch das sie den Mann identifizieren konnten. Falls sie ihn je in die Hände bekamen.
Braig zog das Telefon her, wählte die Nummer von Daniel Schiek. Eine ihm unbekannte weibliche Stimme, die sehr angenehm klang und sich als Ann-Katrin Räuber vorstellte, erklärte ihm, dass Schiek heute nach Wiesbaden zum Bundeskriminalamt gefahren war. Braig entschuldigte sich, bat die Kollegin, sich um die Änderung der Fahndungsdaten zu kümmern. Er legte auf, mailte ihr die Fotos und Namen.
Schiek war in Wiesbaden beim BKA, Braig hatte es vollkommen vergessen. Die Fotos mit dem Minister hielten den besten Grafiker, über den das LKA nach Auffassung Braigs verfügte, seit ihrem Auffinden in Beschlag. Er hatte gestern und vorgestern mehrfach mit Schiek telefoniert, sich über den neusten Stand seiner Untersuchungen informiert. Der Grafiker, der jede nur erdenkliche Maßnahme ergriffen hatte, um die Authentizität der Bilder zu überprüfen, war trotz aller Versuche noch immer nicht zu einem abschließenden Ergebnis gelangt.
»Wenn die Fotos gefälscht sind«, hatte er Braig noch gestern Nachmittag erklärt, »dann verteufelt clever. Dann waren Profis am Werk, um die sich das LKA bemühen sollte. Leute dieser Qualifikation sollten eigentlich für uns arbeiten.«
Das sah nicht gut aus für den Minister, wusste Braig. Wenn Schiek trotz seiner Untersuchungen immer noch keinen Hinweis auf eine Fälschung entdeckt hatte, wurde der Schatten des Verdachts, der den Politiker zu zermalmen drohte, immer gewaltiger. Ein Minister, der sich Kinder für sexuelle Spielereien kaufte, hatte nicht den Hauch einer Chance, in seinem Amt zu bleiben, falls sein Verhalten ins Licht der Öffentlichkeit geriet. Das war dem Mann bekannt. Was würde er tun, wenn Journalisten sein schlimmes Geheimnis zu enthüllen drohten?
Die Antwort war klar. Braig war nervös, er lief ans Fenster, betrachtete die Umgebung, die ihm zu Füßen lag. Die Wolkendecke war
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