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Schwaben-Messe

Schwaben-Messe

Titel: Schwaben-Messe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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wurde.«
    »Herrgott, wer hat uns Menschen nur erschaffen?«
    »Das frage ich mich jeden Tag. Manchmal alle paar Stunden.«
    Braig blieb ruhig liegen, wartete, bis sie wieder das Wort ergriff.
    »Sie sieht Tag und Nacht nur diese Szene vor sich. Ihr Kind und diese Bestien. Bei der Arbeit auf dem Feld, im Stall, in der Küche, beim Spülen, Essen, im Traum. Nicht einmal bei einer Unterhaltung kann sie sich konzentrieren.«
    Braig hörte, wie schwer Gabriele atmete. Sie schwieg einige Minuten, sprach dann leise weiter.
    »Es klingt verrückt, aber der Tod ihres Lebensgefährten und der ihrer Eltern konnte sie nicht mehr groß erschüttern. Ihr Partner starb im Kugelhagel draußen auf dem Feld, ihre Mutter und ihr Vater wurden auf der Flucht von den Angreifern überfahren, als diese mit ihren Landrovern die Menschen wie Tiere jagten und sie zu Boden walzten. Die Mörder hatten eine Kamera dabei und filmten ihre Verbrechen. Sie bekam es nur vom Hörensagen mit. Nachbarn, die der Hölle wie durch ein Wunder entronnen waren, berichteten es ihr. Das langsame Sterben ihres Kindes musste sie mit ansehen. Sie hatten Mira an einen Baum gebunden, obwohl sie wie besessen um sich schlug. Vor dem Baum lag ihre Tochter.«
    Braig spürte, wie sein Herz wild pochte, atmete tief durch. Er wagte kaum, die Frage zu stellen. »Wer waren die Täter? Hat sie eine Ahnung?«
    Gabriele Krauter schwieg lange. Auf der Straße unten dröhnte mitten in der Nacht laut der Motor eines Autos. Es war deutlich zu hören, wie es um die Ecke fuhr, dann seine Fahrt fortsetzte. Langsam kehrte die nächtliche Stille zurück.
    »Sie sprachen Deutsch«, erklärte sie plötzlich, dann, nach einer Weile, »Schwäbisch.«
    »Mira verstand sie?«
    »Sie arbeitete fast zehn Jahre in Frankfurt und Stuttgart. Ihr entging kein Wort.«
    Braig streckte seine Hand aus, ergriff ihren Arm, fuhr ihn zärtlich an ihm hoch. »Wie hat sie sie gefunden?«, fragte er langsam, mit ruhiger Stimme. Er sah ihre Augen, die ihn ernst musterten. »Ich bin nicht nur Polizist«, betonte er, »zuerst und vor allem bin ich Mensch, verstehst du. Ich habe das Recht darauf, Mensch zu sein. Ich bin privat, nicht im Dienst.«
    Sie schwieg, atmete schwer.
    »Ich fand ihren Ring«, setzte er hinzu, »in Hägeles Haus«.
    Sie gab keine Antwort, ließ ihn reden.
    »Das winzige Fenster in seiner Toilette. Es war nur angelehnt. Ein normal gebauter Mensch würde es nie schaffen durchzukommen. Es sei denn, er hätte monatelang gefastet.«
    »Seit damals weigerte sie sich, normal zu essen. Sie besteht nur noch aus Haut und Knochen.«
    »Ihr Ring lag auf dem Boden hinter der Toilette. Er hat genau die gleiche Form und dieselbe Gravur wie die großen Kreole, die Ihr an Euren Ohren getragen habt. Ich habe ihn sofort erkannt. Er muss ihr entglitten sein, als sie sich durch die schmale Öffnung quetschte. Wahrscheinlich ist auch ihr Finger schon zu dünn, ihn noch zu halten.«
    »Und?«
    »Ich habe ihn hier. Du kannst ihn ihr schicken, wenn du ihre Adresse kennst. Zum Glück war ich der erste, der Hägeles Toilette durchsuchte. Außer mir weiß kein Mensch davon. Und es wird auch nie jemand davon erfahren. Der Fall ist abgeschlossen, endgültig geklärt. Sie hat sich unglaublich clever verhalten.«
    »Wir.«
    »Wie bitte?«
    »Wir haben es getan. Wir.«
    Braig schluckte, wusste nicht, wie er reagieren sollte.
    »Ihr Lebensgefährte, den sie ermordeten, war mein Bruder.«
    »Nein«, murmelte er, »nein.« Er spürte, wie ihn eine siedende Hitze erfasste und von Kopf bis Fuß erzittern ließ. Irgendwo in den nächtlich ruhigen Straßen knatterte ein Motorrad.
    »Sie hatte sich sowieso ständig Vorwürfe gemacht, weil sie nach Deutschland gegangen war, um Geld zu verdienen und ihr Kind bei ihren Eltern zurückgelassen hatte. Die Kleine wuchs bei Oma und Opa auf, Mira schickte Geld. Ich glaube, das Kind hatte es trotzdem sehr gut. Sie nahm die Alten als ihre Eltern an, Mira war zeitweise so etwas wie eine Tante. Was sollte sie machen, sie musste die Familie versorgen. In der Krajna gab es nur Landwirtschaft, und die brachte nicht sehr viel.«
    »Sie war nicht verheiratet?«
    »Das Kind stammte aus einer flüchtigen Beziehung. Der Vater verunglückte, kurz nachdem sie sich kennengelernt hatten, mit seinem Auto, er überlebte die Sache nicht. Bald nach der Geburt kam Mira nach Frankfurt. Jahre später lernte sie meinen Bruder kennen. Sie bediente im Speisewagen der Bahn. Er saß an einem ihrer Tische.«
    Braig

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