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Schwaben-Messe

Schwaben-Messe

Titel: Schwaben-Messe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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Länge nach hin. Der Sturz brachte sie langsam zur Besinnung, obwohl ihr Schädel dröhnte und sich alles um sie drehte. Mühsam richtete sie sich wieder auf, taumelte durch die drei Räume im Untergeschoss. Die Luft war kalt, der Boden feucht.
    Als sie wieder vor die Haustür trat, hörte sie das leise, klagende Winseln aus dem Stall. Jetzt erst bemerkte sie, dass die Tür dort nicht geschlossen, sondern nur angelehnt war. Humpelnd lief sie über den Hof, auf das Nebengebäude zu. Die Töne des Tieres wurden leiser, über ihr setzte dröhnend ein Flugzeug zur Landung an.
    Sie spürte kaum die Schmerzen, die das Dröhnen der Maschine in ihr verursachte, schob die Tür zur Seite. Der Hund saß auf dem Boden, unbeweglich wie eine Statue, den Kopf steil nach oben gerichtet, winselte und heulte monoton in einem fort.
    »Moses«, rief sie, versuchte, das Tier zu sich zu locken. Er hörte nicht, rührte sich nicht von der Stelle.
    Als sie nach oben blickte, erfasste sie das ganze Elend dieser Welt. Sie hatte es geahnt, hatte es irgendwo tief in ihrem Inneren gewusst. Als gebe es einen Sinn in uns, dem die Zukunft genauso transparent vor Augen liegt wie unserem Bewusstsein die Gegenwart.
    Es war, als habe sich jetzt all das erfüllt, was sie schon immer als Ende ihres gemeinsamen Weges vor sich gesehen hatte. Der Kampf war von Anfang an aussichtslos gewesen, ein David gegen zu viele Goliaths.
    Du hast keine Chance, aber nutze sie.
    Sie blickte kurz nach oben, in die Richtung der Augen des klagenden Tieres. Für den Bruchteil einer Sekunde prägte sich ihr das Bild ein, das sie für den Rest ihres Lebens in vielen ihrer Träume verfolgen und aus der nächtlichen Ruhe reißen sollte: Die leblose Gestalt ihres Mannes, der von einem festen Seil umschlungene Hals, der Fleischerhaken in der Holzwand, an dem er sich erhängt hatte, wie die untersuchenden Beamten später einwandfrei ermittelten.
    »Drei Tage vorher war die endgültige Entscheidung der Landesregierung bekannt geworden, zur Erweiterung des Flughafens und der Verbreiterung der Autobahn auf Jochens Grund und Boden zurückzugreifen, den seine Familie seit Generationen als Landwirte bearbeitet hatten«, sagte Gabriele Krauter. Sie hatte Braig den Alptraum ihres Lebens berichtet, mit leisem, ruhigem Ton inmitten all der eifrigen Stimmen, die in dem Lokal um die Wette palaverten. »Er wollte das Land nicht verkaufen, weil er nicht einverstanden war, dass ausgerechnet auf den fruchtbarsten Böden des ganzen Landes noch mehr giftende, lärmende Maschinen starten und landen sollten. Maschinen, die nur deswegen immer zahlreicher unterwegs sind, weil sie als einzige Verkehrsmittel keinerlei Steuerbelastung unterliegen. Angesichts der drohenden Klimakatastrophe ein unverzeihliches Verbrechen, ausgerechnet den Flugverkehr Jahr für Jahr mit unzähligen Milliarden Steuergeld zu subventionieren. Mehr als zehn Jahre lang hatte die Landesregierung Jochen drangsaliert, mit Pressekampagnen als Arbeitsplatzzerstörer und hartnäckigen, dickköpfigen Bauernschädel verleumdet, mit ganzen Kompanien von Rechtsanwälten bedroht. Auch wenn fast die ganze Stadt Leinfelden-Echterdingen gegen die gigantischen Pläne der Stuttgarter Großkotze kämpfte, es war sein Land, das zerstört wurde. Deshalb setzte ihm das alles ganz besonders zu.«
    »Und weil Sie nach seinem Tod alles erbten, verbreiteten bestimmte Leute das Gerücht, Sie hätten ihn auf dem Gewissen.«
    »Weil ich seinen Kampf weiterführte, mich so engagierte, wie er es Zeit seines Lebens ebenfalls getan hatte. Wenn er schon nicht mehr dabei sein konnte, sollte wenigstens sein Hof zum Zentrum des Widerstands werden.«
    »Gübler behauptete, Sie hätten viele Aktionen gegen den Flughafen organisiert.«
    »Organisiert? Das ist zu viel der Ehre. Mitgekämpft, ja. Vieles ging von unserem Hof aus, zum Glück. Ihr Kotzbrocken setzte alles daran, einige von uns hinter Gitter zu bringen. Was ihm dann zeitweise auch gelang. Seinen Vorgesetzten blind ergeben. Später mussten sie alles zurücknehmen.«
    »Und jetzt geht der Kampf von vorne los?«
    Gabriele Krauter nickte. Sie erklärte ihm das Vorhaben der Landesregierung, fünfundzwanzig Kilometer außerhalb der Stuttgarter City neben dem Flughafen, mitten auf den fruchtbarsten Ackerflächen Württembergs einen riesigen Komplex von Messehallen zu errichten, obwohl mitten im Stadtzentrum der Landeshauptstadt die seit Jahrzehnten bewährten und vom Publikum sehr gut angenommenen Messehallen des

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