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Schwaben-Messe

Schwaben-Messe

Titel: Schwaben-Messe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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hörte, wie ihre Stimme zitterte, sah im schwachen Licht der Straßenlampe, dass ihr Tränen über die Wangen perlten.
    »Sie wollten heiraten. Er hatte eine kleine Software-Firma in Mainz, einen Kundenstamm in ganz Deutschland. Sie wollten die Kleine und ihre Eltern aus der Krajna holen, weil sie Angst um sie hatten. Mira war die einzige, die zurückkam.«
    »Wie habt Ihr die Mörder gefunden?«
    »Mira kam zu mir, ich war damals schon allein. Wir verkauften Michaels Software-Firma, arbeiteten auf unserem Hof in Echterdingen. Zwei Jahre später wagte sie sich zum ersten Mal wieder in die Krajna, ein einziges Ziel im Kopf. Ich begleitete sie.«
    Braig drehte sein Gesicht zur Seite, betrachtete ihren Mund, der so Ungeheuerliches aussprach. »Ihr habt einige der Verbrecher aufgespürt?«
    »Einen einzigen. Es war riskant genug. Aber es hat sich gelohnt. Er war mit der Brutalste. Einer der schlimmsten Hetzer. Mira kannte ihn. Er stammte aus dem Nachbardorf.«
    »Sie hat ihn …«
    »Gemeinsam«, sagte sie, »Mira und ich.«
    »Wo?«
    »Im Bauernhof von Miras Tante. Er hatte sie ermordet und dann ihr Anwesen an sich gerissen. Wir haben uns die Haare geschoren und gefärbt, alte Kleider angezogen, besuchten den etwas abseits gelegen Hof. Er erkannte Mira nicht. Sie kämpfte mit sich selbst, blieb ruhig und freundlich. Er wollte uns die Ringe verkaufen, die mein Bruder Mira geschenkt hatte. Du kennst sie, die zwei Kreole und den Fingerring. Das Verlobungsgeschenk meines Bruders. Mira hatte sie zurücklassen müssen auf der überstürzten Flucht. Da war uns endgültig klar, was wir zu tun hatten.«
    »Seither habt Ihr die Ringe getragen?«
    »Bis zu dem Zeitpunkt, an dem unsere Arbeit erledigt sein würde. Wir schworen es in jener Nacht, als wir den Kerl unter unsere Füße bekamen. Er soff den Schnaps, den wir ihm mitgebracht hatten, flaschenweise, rauchte unsere Zigaretten, schoss mit seinem Gewehr auf die leeren Flaschen, pinkelte mitten auf den Hof, den Miras Tante von ihren Großeltern übernommen und sorgsam gepflegt hatte. Zwei Tage und zwei Nächte überwachten wir das Anwesen, seine Gewohnheiten, sein Verhalten, dann schlugen wir zu. Mitten in der Nacht. Wir zündeten die alte Holzhütte an, die nur Gerümpel beherbergte, warteten darauf, dass er aus dem Haus käme. Der Hof war voller Ruß und Staub, giftige Qualmwolken deckten alles zu. Plötzlich stand er da, schwankend, halb besoffen. Wir erwischten ihn mit zwei Ästen, droschen und traten auf ihn ein, bis wir keine Gegenwehr mehr spürten. Ich weiß nicht, wie lange. Seine Überreste hatten keine Ähnlichkeit mehr mit der Bestie, die er gewesen war.«
    Steffen Braig fühlte sein Herz rasen, spürte, wie ihm der Schweiß aus den Poren trat. Er legte sich auf den Rücken, fuhr sich mit der Hand über die Stirn. »Wie habt Ihr die anderen gefunden?«, fragte er nach einer Weile.
    »Mira arbeitete auf dem Hof in Echterdingen, nahm nur das Allernotwendigste zu sich und hatte nur ein Ziel. Wann immer es ging, waren wir unterwegs. »Zwei sprachen Schwäbisch«, wiederholte sie immer wieder, »ich weiß es genau.« Wir liefen durch die Fußgängerzonen, betrachteten die Männer, einen nach dem anderen. Sie hatte sich bei einem Grafikstudenten Phantomzeichnungen nach ihrer Erinnerung anfertigen lassen, so konnte ich ihr helfen, Fritz manchmal ebenfalls. Wir suchten zwei Jahre, überall im Schwäbischen. Dann sah sie den ersten. Auf einem Foto in der Zeitung.«
    Braig schwieg, wartete auf die Erklärung.
    »Der Herr Ministerialbeamte bei einem Vortrag mit seinem Minister. Ich wollte ihr nicht glauben, versuchte es ihr auszureden. Das kann nicht sein, erklärte ich immer wieder, der Mann sitzt in der Landesregierung, der kann sich das nicht leisten. »In der schwäbischen Landesregierung?«, fragte sie mich. »Der kann sich das nicht leisten? Was leisten die sich denn dir, euch, den Menschen aus Leinfelden-Echterdingen gegenüber?« Sie war sich absolut sicher. Er war dabei, hatte mitgemacht, hundert Prozent. Wir spionierten ihm nach, waren verblüfft, wo und wie er wohnte. Wie in einem militärisch geschützten Bunker. Das mehrfach gesicherte Haus als Zeichen für seine Angst. Metallgitter fast an jedem Fenster, ein mannshoher Zaun, spitze Eisenstreben überall. Dazu sein Verhalten: Wie er sich umschaute, die Straße fixierte, alles, was sich bewegte, auch uns, misstrauisch beäugte. Als sie ihn das erste Mal in Ludwigsburg sah, traf sie fast der Schlag. Sie klammerte

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