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Schwaben-Messe

Schwaben-Messe

Titel: Schwaben-Messe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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sich von ihr immer wieder davon abhalten lassen, der Tatsache ins Auge zu sehen, dass er sich von ihr abnabeln musste, wollte er endlich Schritte zu einem befriedigenden, sinnvollen Eigenleben unternehmen. Seine Mutterbindung war nicht länger zu ertragen, die Ausmaße ihrer Überversorgung hatten jedes akzeptable Maß überschritten.
    Jahrelang hatte er es hingenommen, dass sie sich an ihm festklammerte, ihm bewusst und unbewusst jeden Freiraum raubte. Seine Kontakte zu anderen Leuten wurden von ihr kontrolliert, weibliche Bekanntschaften begutachtet und fast generell als unakszeptabel erklärt. Hatte er sich trotz ihres offenkundigen Widerwillens dazu entschlossen, die Beziehung zu einer Frau aufrechtzuerhalten, ja, sie sogar noch zu intensivieren, war seine Mutter jedesmal in völlig unkontrollierbare Hass- und Eifersuchtsszenen verfallen und hatte wochenlang nur noch das eine Ziel gehabt, die von ihr als Konkurrentin empfundene Frau zu vertreiben. Vor seinem Umzug nach Stuttgart war ihr dies immer wieder gelungen, hatten ihre subtil vorgetragenen Hinweise auf ihr schweres Leben ihn jedesmal davor zurückschrecken lassen, seine eigenen Interessen in den Mittelpunkt zu stellen und endlich auf seine Rechte zu pochen.
    Vor mehr als dreißig Jahren war sie mit ihren beiden kleinen Kindern Hals über Kopf aus ihrer Heimat Jugoslawien geflohen, nachdem sie den eigenen Ehemann mit ihrem Kindermädchen in flagranti überrascht hatte. Ohne jede Beziehung zu Deutschland hatte sie sich in das fremde Land begeben, weil man dort auf der Suche nach billigen Arbeitskräften war. Jahrzehntelang hatte sie drei Berufe gleichzeitig ausgeübt: Zeitungen ausgetragen, in Kantinen Geschirr gespült und geputzt, in Gastwirtschaften die Drecksarbeit erledigt, dazu die Kinder großgezogen, alles ohne Widerspruch, obwohl sie es in Jugoslawien zur allseits geachteten, weit bekannten Chefköchin eines der berühmtesten Fußballvereine des Landes gebracht hatte.
    Dann war Braigs Schwester an Krebs erkrankt und in jahrelanges Siechtum verfallen, schließlich elendig an der schlimmen Krankheit gestorben – ein Ereignis, das die Bindung der Mutter an ihr verbliebenes Kind noch verstärkt und eben zu der Intensität hatte anwachsen lassen, die ihm die Luft endgültig raubte.
    Kopfschmerzen immer heftigeren Ausmaßes hatten ihn geplagt, depressive Anfälle und tagelange Niedergeschlagenheit. Die räumliche und psychische Distanz zu seiner Mutter waren ihm zu einer Überlebensfrage geworden, sodass er die Versetzung nach Stuttgart als Befreiung aus einer lange währenden Gefangenschaft empfand.
    Dennoch hatte er sich durch den Umzug nicht vollständig von ihr gelöst, die Trennung nicht so radikal vollzogen, dass sie sich jetzt vollständig alleingelassen fühlen musste. Im Gegenteil: Mindestens jede Woche, soweit es sein Dienst erlaubte, besuchte er sie, um sein Interesse an ihr deutlich zu demonstrieren. Seine Mutter jedoch zeigte sich nicht dankbar: zu seinem Leidwesen nutzte sie fast jede Begegnung, ihm Vorwürfe wegen seines Umzugs entgegenzuschleudern.
    Und so sehr er sich gegen ihre Anklagen immunisiert glaubte, plagten ihn in der Nacht und am nächsten Tag heftige Kopfschmerzen, denen er meist nur mit einer Handvoll Aspirin abhelfen konnte.
    Auf der schmalen Straße, über die sie das landwirtschaftliche Anwesen erreicht hatten, näherte sich ein großer, dunkelgrüner Traktor. Er schleppte einen gewaltigen Anhänger, voll beladen mit Korn, schwenkte wenige Meter vor ihnen auf den Hof. Eine auffallend schmale, schlanke Frau stieg ab und kam auf sie zu. Sie schien knapp über vierzig, hatte einen dünnen, fast knochigen Körper, strähnige Haare, ein ausgemergeltes, verschwitztes Gesicht.
    Gabriele Krauter schien sichtbar aufgeregt, als sie sie sah.
    »Meine Mitarbeiterin, Frau Beranek«, erklärte die Bäuerin mit leicht flatternder Stimme, »sie wurde wie ich durch das Gebell unseres Hundes auf die Leiche aufmerksam.«
    Braig spürte Pochen und Rumoren hinter seinen Schläfen, ärgerte sich, dass er keine Kopfschmerztabletten mitgenommen hatte. Die Folgen seines gestrigen Besuches in Mannheim ließen sich nicht länger verdrängen.
    »Um wieviel Uhr war das?«, fragte Gübler.
    Mirjana Beranek wischte sich die Hand ab, reichte sie den Kriminalbeamten. Braig wunderte sich auch diesmal über den kräftigen Händedruck einer Frau, sah den großen, platinfarbenen Ring, den sie an ihrem linken Ohr trug. Dasselbe Modell wie der ihrer

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