Schwaben-Rache
brutal.«
»Ja, Moment«, wandte er ein, »dann ...«
»Richtig. Dann sagt Herr Breuninger nicht die Wahrheit. Er muss wissen, warum. Vorstellen kann ich mir das schon, besonders wenn ich daran denke ...« Sie hielt inne, überlegte.
»Ja?«
»Was man so über ihn erzählt.«
»Über Breuninger? Was meinen Sie damit?«
Marion Reimer fuhr sich mit der Hand über die Haare, zögerte einen Moment. »Nun, es ist ein offenes Geheimnis«, sagte sie dann, »der Herr Breuninger hat Probleme mit Alkohol und Autofahren. Noch nichts davon gehört?«
Steffen Braig schüttelte den Kopf.
»Und dann gibt es da noch eine andere Sache.« Die Geschäftsführerin des BUND blickte aus dem Fenster.
»Spucken Sie es schon aus«, drängte Braig.
»Böse Zungen bringen ihn in Zusammenhang mit dem Unfalltod eines Kindes ...«
6. Kapitel
Braig fand einfach keine Möglichkeit, unbemerkt an dem Mann vorbeizukommen. Hermann Göckele stand breitbeinig vor seiner Wohnungstür, hielt den Fußabstreifer in beiden Händen und untersuchte ihn zum fünfzehnten, vielleicht auch zum zwanzigsten Mal an diesem Tag vergeblich auf der Suche nach einem Staubkorn oder gar einer größeren Ansammlung von Schmutz. Erfolg in diesem mühevollen Tun war ihm leider nur selten vergönnt. Sein Gesicht, eine hagere, verbissen wirkende Miene, trug unverhohlene Neugier zur Schau.
»Guten Abend«, grüßte Steffen Braig und versuchte, sich schnell die Treppe hochzuschleichen.
»Verbrecher erwischt?«, schallte es ihm entgegen.
Braig schüttelte den Kopf.
»Die Gsetze müsstet halt schärfer sei!« Göckele stellte sich mitten in den Weg, sodass es kein Vorbeikommen gab. »Wenn d'Gsetze schärfer wäret, gäbs net so viele Halunke!«, schwäbelte er mit kräftiger Stimme und legte die Fußmatte auf den Boden.
Braig versuchte, einem ebenso kurzweiligen wie hochgeistigen Gespräch auszuweichen und nickte nur mit dem Kopf.
»Wenn i mit an der Regierung war«, erklärte der Nachbar und zupfte einen winzigen Fussel von der Treppe, »no aber!« Er richtete sich auf und streckte drohend seinen Zeigefinger in die Höhe. »I dät die Halunke alle köpfe lasse und des gesamte ausländische Pack dazu«, sagte er und untersuchte seinen winzigen Fund. »Aber vorher noch foltere, damit die net grad so davonkommet.«
»Soll ich Ihnen meine Lupe bringen?«, fragte Braig hilfsbereit. »Die große. Sie kennen sie schon.«
Der Nachbar schüttelte den Kopf. »Net nötig. I seh genug. Köterhaare. Eindeutig!«
Er hielt Braig den Partikel so dicht vor die Nase, dass dieser unwillkürlich zwanzig Zentimeter zurückwich. Auch jetzt vermochte sein geschultes Kriminalistenauge außer den knochigen Fingern des Nachbarn nichts zu erkennen.
»Tut mir leid.«
Göckele schüttelte den Kopf. »Sie sind mir en Polizist!« Mit vorwurfsvollem Blick zeigte er nach oben. »Rauhaardackel. Eindeutig. Mir isch es wirklich egal, mit wem andere ins Bett neischlupfet, i bin aus dem Alter sowieso raus.«
»Hm, sicher, aber ...« Steffen Braig räusperte sich verlegen, obwohl er die offene Sprache des Mannes längst gewohnt war. In der Beziehung konnte ihn kaum noch etwas überraschen.
»So wahr i Göckele heiß, stammt des von me Rauhaardackel!« Er hielt den Fussel so weit von sich weg, wie seine kurzen hageren Arme das erlaubten, stierte verbissen zu dem Fundstück.
»Sie sind ein anständiger Mann. Aber wenn des mannstolle Ding da obe, des junge«, er zeigte in die Höhe, »wenn die scho wieder en neue Kerl herschafft, ders ihr besorgt, no muss des doch net so a daube Funzel sei, der seinen Köter mitschleppt und die Hundehaar bei uns im Treppehaus ablädt, oder?«
Steffen Braig schüttelte den Kopf. Die Hasstirade des Nachbarn hatte ihn auf andere Gedanken gebracht. »Was sagten Sie, sei der Mann?«
»Welcher Mann?«
»Na, der neue Freund, der mit dem Rauhaardackel.«
»Die daube Funzel, die elende, was wollet Sie denn von dem?«
Steffen Braig war zu beschäftigt, um die Frage zu beantworten. Er zückte seinen Block, notierte sich die Worte. »Vielen Dank«, sagte er dann, »Sie haben mir sehr geholfen.« Er steckte den Block und den Stift in seine Jackentasche zurück und weidete sich an der erstaunten Miene seines Nachbarn.
»I hab Ihne gholfe? Ja, wie denn?«
»Na, mit dem Rauhaardackel«, erklärte Braig.
»Ach so. Ja, ja, ein Rauhaardackel. Wenn der Kerl wenigstens Gschmack hätt! Ein deutscher Schäferhund oder ein echter Jagdhund zum Beispiel. Aber so ein Verschnitt
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