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Schwaben-Wahn

Schwaben-Wahn

Titel: Schwaben-Wahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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was er antworten sollte, brachte nur ein dürftiges »flüchtig« hervor.
    »Du solltest es tun«, sagte sie, klopfte ihm mit einer versöhnenden Geste sanft auf den Rücken, »auch wenn dir dein Beruf kaum Zeit lässt.«
    Er nickte, atmete tief durch. Sein Besuch in Göppingen fiel ihm ein; unwillkürlich warf er einen Blick auf seine Uhr.
    Sie hatte es bemerkt, reagierte sofort. »Okay, du bist wieder in Eile. Ich will dich nicht aufhalten.« Sie reichte ihm die Hand, verabschiedete ihn. »Bis bald. Und viele Grüße an Ann-Katrin.«
    Braig nickte, drückte auch die Hand ihrer Gesprächspartnerin, lief dann zu seinem Fahrzeug zurück. Er öffnete die Tür, ließ sich auf den Fahrersitz fallen. Die Kopfschmerzen nahmen einen neuen Anlauf, steigerten sich zu neuer Intensität. Sein Magen knurrte, er fühlte sich hungrig, müde und ausgelaugt. Er überlegte wieder, wie er nach Göppingen fahren sollte, nahm den Weg nach Osten, um die Tübinger Innenstadt zu umgehen. Vielleicht ergab sich unterwegs die Gelegenheit, an einem Schnellrestaurant Halt zu machen, um sich einen kleinen Imbiss zu genehmigen.
    Braig nahm überrascht wahr, wie schnell die Dämmerung von der Umgebung Besitz ergriff, sah die Rücklichter der Wagen vor sich. Er bremste, stellte fest, dass sich der Verkehr weit vor der Einmündung des Nordrings in die Wilhelmstraße staute. Ungeduldiges Hupen war zu hören. Er starrte angestrengt durch die Scheibe, sah, dass ein ganzer Fahrzeugpulk zum Stillstand gekommen war. Braig schaute auf seine Uhr, stöhnte laut auf: Zwanzig vor acht. Stau war das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte. Er überflog die rote Lichtparade vor sich, stellte keinerlei Bewegung fest. Ob er wenden und einen anderen Weg einschlagen sollte?
    Er schaute zur Seite, sah, dass die Gegenfahrbahn frei war. Auch hinter ihm kein anderes Fahrzeug. Er griff zum Lenkrad, wollte gerade losfahren, als er die kleine Katze mitten auf dem Asphalt bemerkte. Er nahm den Fuß vom Gaspedal, wartete, dass das Tier verschwand, sah, wie es ängstlich auf der Fahrbahn verharrte. Wenn es sich nicht beeilte, hatte es keine Chance, die Straße unversehrt zu überqueren.
    Braig überlegte nicht lange, stellte fest, dass von hinten kein Auto kam, trat auf die Straße. Leise pfeifend bewegte er sich auf das Tier zu. Die Katze sah zu ihm auf, drehte sich zur Seite, wich zurück. Er verstärkte sein Pfeifen, beugte sich nieder, streckte ihr die Hand entgegen – vergeblich. Sie schenkte ihm kein Vertrauen, spurtete zurück, verschwand im Gebüsch am Rand der Straße. Braig schaute ihr enttäuscht nach, richtete sich wieder auf. Er sah die Umrisse ihrer Augen, mit denen sie ihn aus dem Unterholz der Sträucher fixierte, hörte ein Auto hinter sich näher kommen.
    Was in den nächsten Sekunden geschah, erlebte er wie in Trance. Er stand am Rand der Straße, drehte sich um, sah, wie sich ein Lieferwagen mit hohem Tempo näherte. Das Fahrzeug raste auf die Autoschlange zu, bremste abrupt, schleuderte, prallte mit der rechten Seite auf seinen Dienstwagen. Braig hörte das schrille Kreischen der Bremsen, starrte auf das torkelnde Fahrzeug, verfolgte aus wenigen Metern Abstand, wie es vollends die Balance verlor und wie von einer mächtigen unsichtbaren Hand emporgehoben zur Seite kippte, unter ohrenbetäubendem Krachen und Knirschen seinen Pkw unter sich begrub und ihn mit seinem mehrere Tonnen schweren Gewicht zerquetschte.
    Es war ihm unmöglich, in vollem Umfang zu begreifen, was vor ihm ablief; er stierte mit irrem Blick auf die Überreste seines Dienstwagens, den er der Katze wegen gerade erst verlassen hatte, sah Metallteile und Glassplitter rings um sich durch die Luft jagen, spürte einen kräftigen schmerzhaften Schlag an seiner Schläfe. Er schnappte nach Luft, merkte, wie ihm die Beine versagten, hörte aufgeregte Stimmen und lautes Geschrei, fühlte sich wie auf einem Karussell. Die zertrümmerten Autos, die von Blech und Glas übersäte Fahrbahn, wild durcheinander springende Menschen – alles drehte sich vor seinen Augen im Kreis.
    Braig spürte, wie er das Gleichgewicht verlor, versuchte, sich irgendwo festzuklammern, griff mit der Hand ins Leere. Mit einem Mal waren die Schmerzen verflogen.

8. Kapitel
    Das weit entfernte Heulen einer Sirene war das Erste, das er wahrnahm. Er lag auf einer harten, alle paar Sekunden von kräftigen Schlägen erschütterten Unterlage, fühlte sich mal nach links, dann wieder nach rechts gezerrt, spürte die Fesseln, die

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