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Schwaben-Wahn

Schwaben-Wahn

Titel: Schwaben-Wahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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deutlich vor sich. Der junge Mann war von seinem Zimmer aus auf die Leiche aufmerksam geworden, hatte ihm bei seinem Besuch im Stift den Blick auf die Insel gezeigt. »Ein grauenvoller Anblick«, sagte Braig, »ich bin heilfroh, dass wir die Sache bald in den Griff bekamen. Damals waren Sie noch Student?«
    »Im vorletzten Semester. Seit einem halben Jahr bin ich hier als Assistenzarzt tätig. Vielleicht sehen wir uns in Zukunft öfter. Beruflich, meine ich. Ich arbeite nebenbei an meinem Facharzt für Gerichtsmedizin.«
    Der Kommissar stöhnte laut auf. »Das wollen Sie sich antun?«
    »Viel schlimmer als hier in der chirurgischen Ambulanz kann es wohl kaum werden. Unfallopfer haben wir hier alle paar Minuten. Ich nehme an, Sie wissen selbst, in welchem Zustand die uns frisch von den Straßen geliefert werden.«
    »Mir bereitet der Anblick heute noch Schwierigkeiten. Nach über fünfzehn Jahren Berufserfahrung.«
    Dr. Schäffler nickte. »Das kann ich gut nachvollziehen. Letzte Nacht bekam ich kaum ein Auge zu. Anja, ein siebenjähriges Mädchen. Samstagabend, kurz nach achtzehn Uhr, wurde sie eingeliefert. Sie war auf dem Fahrrad unterwegs, ordnungsgemäß auf dem Gehweg. Von irgendeinem Verrückten hier an der Waldhäuser Straße erfasst. Der Anblick geht mir nicht aus dem Sinn.«
    »Sie hat überlebt?«
    »Fragt sich nur, in welchem Zustand. Ob das Kind je wieder laufen kann? Ich weiß es nicht. Die Kollegen versuchen alles.«
    »Der Kerl wurde erwischt?«
    Dr. Schäffler schüttelte den Kopf. »Fahrerflucht. Wie ich heute gehört habe, mit einem gestohlenen Auto. Augenzeugen haben das Kennzeichen notiert.«
    Braig spürte, wie der Arzt seinen Arm von der Kanüle befreite, ihn dann mit einem Pflaster versah und die Apparatur mit den Infusionsschläuchen zur Seite schob. Dr. Schäffler winkte einem Krankenpfleger, verabschiedete sich für die nächsten Minuten.
    Der Weg vorbei an den verschiedenen Abteilungen des Klinikums erschien Braig wie eine nicht enden wollende Odyssee durch ein unbekanntes Labyrinth. Der Krankenpfleger schob ihn zu einem Fahrstuhl, begleitete ihn mehrere Stockwerke aufwärts, bugsierte ihn dann durch verwinkelte Gänge in einen hell erleuchteten, intensiv riechenden Raum. Der Kommissar wurde von einer Ärztin instruiert, krabbelte in eine enge, bedrohlich schmal wirkende Röhre, sah sich von einem laut rumpelnden Metallmonstrum eingezwängt, verfluchte den Augenblick, in dem er dem Vorschlag des jungen Mediziners zugestimmt hatte, sich dieser Untersuchung auszusetzen.
    Auf den Zusammenhang zwischen Dr. Schäfflers Aussagen und seinen aktuellen Ermittlungen kam er erst später, als er auf eigene Verantwortung aus dem CRONA-Zentrum entlassen, im Zug nach Stuttgart saß. Samstagabend, kurz nach achtzehn Uhr, hatte der junge Arzt erzählt, Waldhäuser Straße. Von irgendeinem Verrückten erfasst. Fahrerflucht mit einem gestohlenen Auto. Gab es die Verbindung oder bildete er es sich nur ein? Die Straße kam ihm bekannt vor, genauso der Tag und die Uhrzeit. Alles passte wie die Faust aufs Auge. Hatte Johannes Wangbiehler schon wieder ein neues Opfer zu verantworten?

9. Kapitel
    Als Katrin Neundorf am Dienstagmorgen in Braigs Büro trat, studierte er gerade die ausgedruckte Mail der Tübinger Kollegen. Sie blieb stehen, musterte ihn mit kritischem Blick. »Habe ich richtig gehört? Du hattest einen Unfall?« Sie sah den Verband an seiner rechten Schläfe, betrachtete ihn mit unverhohlener Neugier.
    »Es klingt wahrscheinlich verrückt«, antwortete er, »aber dass ich hier vor dir sitze, habe ich wohl nur einer kleinen gescheckten Katze zu verdanken, die es gestern Abend für notwendig befand, mitten auf einer verkehrsreichen Tübinger Straße spazieren zu gehen.« Er winkte ihr, auf seinem Schreibtisch Platz zu nehmen, schob einen Stapel Papiere zur Seite. »Hier«, sagte er, »da steht es schwarz auf weiß. Außerdem aufschlussreich bebildert.« Er reichte ihr den Bericht der Tübinger Polizei, zeigte auf die Fotos.
    Neundorf setzte sich neben seine Akten, überflog den Text. Er sah, wie sie die Bilder betrachtete, hörte sie tief Luftholen. »Steffen! – Das ist der Dienstwagen?« Sie deutete auf die völlig demolierten Überreste des Fahrzeugs.
    »Gestern Morgen fuhren wir mit ihm nach Sindelfingen und Fellbach«, feixte er verlegen, »du erinnerst dich?« Er schilderte ihr den Hergang, soweit ihm der selber bewusst war, berichtete von seinem Aufenthalt in der Tübinger Klinik.
    »Du bist

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