Schwaben-Wahn
dir sicher, dass du keine Folgen davongetragen hast?«
»Die Untersuchung mit dem Kernspintomografen hat nichts ergeben. Die Ärzte haben mir das ausdrücklich bestätigt.«
»Und dann bist du in der Nacht noch mit dem Zug nach Hause gefahren?«
Braig nahm den Ausdruck des Unfallberichts wieder entgegen, nickte. »Die Infusionen haben gewirkt. Mein Kreislauf hatte sich wieder stabilisiert.«
»Sie haben dich ohne Bedenken entlassen?«
»Mit der Auflage, den Karren in Zukunft stehen zu lassen und zu Fuß zu gehen. Aber das erzählt mir mein Hausarzt auch schon seit Jahren.«
Sie müssen dringend mehr für Ihre Gesundheit tun, hatte ihn Dr. Schäffler ermahnt, so wie bisher dürfen Sie nicht weitermachen. Er war dem jungen Arzt nach der unangenehmen, Panikattacken von Platzangst auslösenden Prozedur der Magnetresonanztomografie nochmals begegnet, hatte sich mit ihm unterhalten. Ihr Kreislaufkollaps ist nicht allein Folge des durch den Unfall verursachten Schocks, war Dr. Schäffler deutlich geworden, Sie sind überarbeitet, treiben Raubbau an Ihrem Körper. Wenn Sie schon keine Zeit für sportliche Betätigungen finden, sollten Sie möglichst viele Wege zu Fuß zurücklegen. Denken Sie an das, was mit Ihrem Auto passierte. Sie haben nur
ein
Leben.
Das Bild des zerstörten Fahrzeugs vor Augen hatte er sich kurz vor zweiundzwanzig Uhr auf den Weg nach Hause gemacht, bohrende Kopfschmerzen und allumfassende Erschöpfung, aber auch den festen Willen im Gepäck, den Rat des Arztes zu beherzigen.
»Wie hat Ann-Katrin reagiert?«, fragte Neundorf. »Du hast sie vorher informiert?«
»Erst in dem Moment, als ich das Krankenhaus verließ. Mein Handy lag im Auto, es ist ebenfalls hinüber. Was passiert war, habe ich ihr erst erzählt, als ich zu Hause war. Ich wollte sie nicht unnötig aufregen.«
»Und, was meinte sie? Einen Tag nach eurem Urlaub?«
»Sie hat die Bilder nicht gesehen«, antwortete er und deutete auf den Unfallbericht, »zum Glück. Und ich möchte auch, dass das so bleibt. Sonst ...« Er schwieg, dachte an den besorgten Ausdruck im Gesicht seiner Freundin, als sie seinen Verband bemerkt hatte. Sein Hinweis, die Verletzung sei harmlos, war ihr nicht besonders glaubwürdig vorgekommen, zu deutlich hatte er ihre Skepsis gespürt. Braig wusste von den vielen Monaten der Ängste und Schmerzen, die Ann-Katrin nach ihrer Schussverletzung durchgemacht hatte, wollte ihr neue Unannehmlichkeiten ersparen. »Ihr Dienst hat ebenfalls wieder begonnen«, sagte er, »ich hoffe, sie wird dadurch etwas abgelenkt.«
Neundorf sprang von seinem Schreibtisch, baute sich vor ihm auf. »Und du versuchst dasselbe, indem du dich ohne jede Pause wieder in die Ermittlungen stürzt.«
Er versuchte zu lächeln, merkte selbst, dass es ihm nicht recht gelang. »Wenn es hilft, den Schock zu überwinden, warum nicht?«
Sie zuckte mit der Schulter. »Du musst wissen, was du dir zumutest. Wenn du es packst, okay.«
Neundorf deutete auf den Aktenstapel, schaute ihren Kollegen fragend an. »Die Sache mit diesem Wangbiehler hast du endgültig geklärt?«
Braig schüttelte den Kopf. »Leider nicht.« Er berichtete, wie weit er gekommen war, wies auf seinen Verdacht hin, Johannes Wangbiehler habe mit der Fahrerflucht und der schweren Verletzung des Kindes in Tübingen zu tun. »Ich habe vorhin mit den Kollegen telefoniert«, sagte er. »Das gestohlene Auto wurde gestern Abend in Reutlingen entdeckt. Die Spurensicherung ist dabei, es nach Fingerabdrücken zu überprüfen. Sollten sie Wangbiehler identifizieren, geben sie sofort Bescheid. Ich will jetzt nach Göppingen, die beiden angeblichen Zeugen verhören. Ich warte nur noch auf den Anruf Stöhrs, der mir ein neues Handy und eine Netzkarte für die Bahn besorgt.«
»Göppingen?« warf Neundorf ein. »Kann das nicht Felsentretter übernehmen? Soviel ich weiß, hat er heute dort zu tun.«
»Und was hast du vor?«, fragte er.
»Hier«, sagte sie und deutete auf eine kleine durchsichtige Plastiktüte, die sie vorher auf seinem Schreibtisch abgelegt hatte, »du hast sie noch nicht im Original gesehen, oder?« Sie reichte ihm die Tüte und fuhr fort: »Ich habe mich mit Frau Fischer verabredet«, sagte sie, »gegen neun Uhr. Ich will sie fragen, ob sie die Kette kennt. Vielleicht kann sie mich zu Herzogs Mutter begleiten, falls die sich etwas erholt hat.«
Er betrachtete den in der Gesäßtasche des Toten gefundenen Schmuck, spürte, wie leicht er war. Das Material bestand aus drei
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