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Schwaben-Wahn

Schwaben-Wahn

Titel: Schwaben-Wahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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von sich geschleudert, dann durch die von den Gewitterschauern fast undurchsichtige Scheibe nach draußen gestarrt. Wangbiehler schien vor nichts zurückzuschrecken. Bei seiner Drohung, die Firma zu verlagern, handelte es sich um nichts anderes als eine Erpressung des eigenen Landes. Er hatte es zu Wohlstand und Vermögen gebracht, weil dieser Staat ihm soziale Bedingungen und eine marktgerechte Infrastruktur zur Verfügung stellte, was ihm die Errichtung und die Prosperität seiner Firma erst ermöglicht hatte. Zudem waren seit Jahren unzählige Menschen bereit, mit ihrer Arbeitskraft die Herstellung seiner Produkte und damit auch das Wachstum seines persönlichen Wohlstands zu ermöglichen. Ohne Zweifel war ein Teil seines Erfolges auch seinem Engagement und seiner Geschäftstüchtigkeit zuzuschreiben, doch was hätte ihm dies alles genutzt, hätten ihm dieser Staat und diese Gesellschaft nicht die Grundlagen dafür geboten?
    Nein, seine Drohung war eine Erpressung! Was war dies anderes als ein krimineller Akt?
    Braig hatte aus dem Fenster des Zuges gestarrt, die unter den Schauern der Sintflut ertrinkende Umgebung betrachtet. Es gab keine Gesetze, gegen Verbrecher dieser Kategorie vorzugehen. Diebe und Betrüger wurden verfolgt und hinter Gitter gesteckt. Kriminelle, die die gesamte Bevölkerung schädigten, blieben auf freiem Fuß. Wozu übte er diesen Beruf noch länger aus, wenn das gesamte Fundament nicht stimmte?
    »Frühstücken wir gemeinsam oder hast du es eilig?« Ann- Katrin stand mit verschlafenen Augen vor ihm, zeigte auf den Tisch.
    Braig Schloss das Fenster, drückte seine Freundin an sich. »Du hast es doch gehört«, sagte er. »Monrepos.«
    »Was ist mit deiner Wunde?« Sie deutete auf seine Schläfe.
    Er spürte das leichte Pochen, hoffte, dass es nicht stärker wurde. »Im Moment ist es auszuhalten.«
    Sie küsste ihn auf die Stirn, verschwand im Bad. Braig richtete sich zwei Brote mit Marmelade, trank zwei Tassen Kaffee, verabschiedete sich von seiner Freundin.
    Die Luft draußen hatte sich tatsächlich kaum abgekühlt. Er schwitzte schon nach wenigen Metern, war froh, als er die Treppen zur S-Bahn erreicht hatte. Die Leute waren hochsommerlich gekleidet, Frauen und Männer mit langen Ärmeln die Ausnahme. Braig zog seine Jacke aus, warf sie über die Schulter, nahm die Bahn nach Ludwigsburg. Er fuhr bis zur Station
Favoritepark
, folgte der Seeschloßallee, die kerzengerade zum Schloss Monrepos führte. Braig kannte den Weg, hatte die anmutige Parkanlage schon mehrfach besucht. Studentinnen der nahe gelegenen Pädagogischen Hochschule kamen ihm joggend entgegen oder überholten ihn, andere strampelten auf Rädern an ihm vorbei. Die Luft hier draußen schien frischer, nicht ganz so drückend wie im Stuttgarter Talkessel. Er unterquerte die stark befahrene Landstraße nach Heutingsheim, hatte Monrepos unmittelbar vor sich: Rechts die von einem mächtigen Zaun umgebenen Anlagen des Schlosses und der Verwaltungsgebäude, links den See mit den dicht bewaldeten kleinen Inseln. Dass sich etwas Ungewöhnliches ereignet hatte, war nicht zu übersehen: Polizisten in Uniform bewachten den Zugang zum Wasser, Männer in hohen Gummistiefeln machten sich am Rand des Sees zu schaffen. Als Braig vor dem Zaun links abbog und die Brücke über den schmalen Kanal überquerte, konnte er erkennen, was das geschäftige Treiben verursachte: Der Kofferraum eines Autos ragte, gerade noch die Kante des Uferwegs berührend, aus dem Wasser.
    Augenblicklich hatte er die Szene vom Bärensee wieder vor Augen, jenes Ereignis, das ihn seit zwei Tagen beschäftigte. Nicht schon wieder ein Toter, flehte er insgeheim, nicht schon wieder dasselbe unmenschliche Verbrechen, obwohl er seit Weisshaars Telefonanruf genau wusste, wie vergeblich sein Wunsch war.
    Er näherte sich der Stelle, wo das Auto aus dem Wasser ragte, streckte dem uniformierten Beamten, der hier den Beginn des Weges überwachte, seinen Ausweis entgegen und grüßte den Mann. Wären die auffälligen Absperrungen der Polizei nicht gewesen, man hätte die Szene idyllisch nennen können: Vor ihm der ruhige Wasserspiegel des Sees, eingerahmt von den üppig grünen Inseln und dem anmutigen Bau des Schlosses. Rechterhand, nur wenige Meter entfernt, der Auslauf des kleinen Kanals. Auf der anderen Seite der schmalen Wasserzunge in Reih und Glied festgezurrte Tret- und Ruderboote eines Bootsverleihs, über eine Holztreppe und einen Steg vom etwas höher gelegenen Ufer aus

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