Schwaben-Wahn
dafür ins Feuer legen, dass er mit zwei Toten genug hatte? Wer konnte wissen, ob sein abartiges Bedürfnis nach Rache schon gestillt war? Musste er, Braig, nicht befürchten, bald wieder frühmorgens aus dem Bett geholt zu werden – zum nächsten Opfer? »Wir müssen die Verbindung herstellen«, stellte Braig fest, »wenn es derselbe Mörder ist, muss es ein gemeinsames Band zwischen seinen Opfern geben. Wenn wir den Zusammenhang finden, können wir ihn vielleicht identifizieren.«
Er verabschiedete sich von Rössle und Schöffler, bat sie, ihn sofort über eventuelle Neuigkeiten zu informieren, lief den Weg zurück, dann auf die Verwaltungsgebäude auf der anderen Seite der Landzunge zu. Er hatte den Zaun, der die Schlossanlagen abschirmte, fast erreicht, als sein Handy läutete. Die verzerrte Hymne nervte ihn dermaßen, dass er es hastig aus seiner Tasche riss und die Verbindung herstellte.
Neundorf war in der Leitung. »Du bist in Monrepos?«, fragte sie.
Braig bestätigte ihre Vermutung, erzählte, was er bisher erfahren hatte.
Ihr lautes Fluchen war deutlich zu hören. »Und es gibt keinen Zweifel?«
»Rössle ist sich sicher«, antwortete er. »Du weißt, was das heißt.«
»Ja, ja.« Sie seufzte, holte tief Luft. »Wurde er mit derselben Waffe wie Herzog getötet?«
»So weit sind sie noch nicht.«
»Karl Herzogs Mutter weiß übrigens nichts von der Waffe ihres Mannes. Ich habe sie gestern danach gefragt.«
»Du glaubst ihr?«
»Vielleicht fällt ihr später noch etwas dazu ein. Im Moment ist sie einfach noch zu sehr erschüttert. Sie war immer noch völlig außer sich gestern Abend.« Sie machte eine kurze Pause, fragte dann nach der Identität des Toten.
Er nannte ihr den Namen und die Anschrift, erklärte, dass er kurz bei den beiden Studentinnen vorbeischauen wolle, die das Auto entdeckt hatte, um dann zur Wohnung des Ermordeten zu fahren.
»Dann treffen wir uns dort«, sagte Neundorf. »Ich werde in der Zwischenzeit versuchen herauszufinden, ob wir etwas über den Mann haben.« Er glaubte schon, sie habe das Gespräch beendet, als sie noch einmal ansetzte. »Danke, dass du mich gestern Abend noch über die Aussagen von Wangbiehlers Freunden informiert hast. Ich habe mir das Band nach der Pressekonferenz angehört. Koch lehnt es aber ab, gegen Wangbiehler vorzugehen. Der Zusammenhang sei ihm zu vage. Aber war das wirklich anders zu erwarten?«
Braig gab keine Antwort.
»Wir haben eben immer noch nicht begriffen, dass es bei uns zwei verschiedene Sorten von Menschen gibt: Normalsterbliche wie du und ich und Auserwählte, die über den Gesetzen stehen. Aber irgendwann werden auch wir das noch lernen.«
Er beendete das Gespräch, zeigte dem uniformierten Beamten, der den Eingang zum Schlosspark bewachte, seinen Ausweis. »Braig, guten Morgen. Ich suche die Studentinnen, die das Auto entdeckt haben.«
Der Kollege wies auf das nahe Verwaltungsgebäude, vor dessen Front zwei junge Frauen unruhig hin und her liefen. »Ich glaube, die sind ziemlich fertig.«
Braig bedankte sich, näherte sich den beiden Frauen, stellte sich vor. Er schätzte sie auf Anfang zwanzig, sah ihre schlanken, durchtrainierten Körper. Sie erteilten ihm bereitwillig Auskunft.
»Mein Name ist Martina Merkle und das ist meine Freundin Christina Seibert. Wir studieren an der PH.« Sie wies auf die Anhöhe Richtung Favoritepark, wo einige der Hochschul-Gebäude lagen. »Wir waren heute Morgen wieder joggen, hierher nach Monrepos wie immer, wenn das Wetter mitspielt.«
»Die Seeschlossallee entlang?«
Martina Merkle nickte. »Wir nehmen sie jeden Tag, weil da keine Autos fahren. An der Steinsäule bogen wir ab zum See.« Sie zeigte in die Richtung, aus der Braig gekommen war. »Christina sah das Auto als Erste. Kurz hinter der Brücke.«
»Die Brücke, die über den schmalen Kanal führt?«
Christina Seibert antwortete selbst. Sie hatte dunkelblonde, zu einem Pferdeschwanz gebundene Haare, ein schmales, vom Sport und der Aufregung gerötetes Gesicht. »Ich wollte es zuerst nicht glauben, es war so, ich weiß nicht, wie ich sagen soll, so unwirklich. Das konnte doch gar nicht sein, dass dort am See, im Wasser, meine ich, ein Auto ...« Sie sprach zu schnell, verhaspelte sich, begann einen neuen Satz. »Ich meine, wir kommen jeden Tag hierher, fast jeden Tag, und wir kennen die Gegend und den See, aber das Auto, das war einfach ...«
Braig merkte ihre Anspannung, versuchte, sie zu beruhigen. »Wissen Sie, um wie viel Uhr
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