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Schwaben-Wahn

Schwaben-Wahn

Titel: Schwaben-Wahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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zu erreichen. Hinter dem Bootshaus erstreckte sich der Trakt des Verwaltungsgebäudes.
    Braig drückte sich an einer Absperrung vorbei, den Grassaum entlang des Weges zum See, passierte einen dicht belaubten Baum, dessen mächtiger Stamm unmittelbar neben dem Wasser in die Höhe wuchs. Keinen Meter dahinter ragte die Rückfront des Fahrzeugs aus dem See.
    Hier blieb er stehen, winkte Rössle und Schöffler zu, die, Gummistiefel an den Füßen, im flachen Wasser standen und das Auto von allen Seiten fotografierten. Braig grüßte, sah die mürrische Miene Rössles, der sich vorsichtig aufrichtete und zu ihm ans Ufer stapfte.
    »Alle Idiote von Sindelfinge, wenn ihr den Halunke net bald krieget, no guat Nacht!« Er winkte dem Kommissar, wies auf das Fahrzeug. »Dieselbe Handschrift.«
    »Ein Toter?«, fragte Braig. Er beugte sich über das rot-weiße Band, versuchte vergeblich, einen Blick ins Innere des Autos zu werfen. Die Scheiben reflektierten gleißend die Strahlen der Sonne, machten jeden Einblick unmöglich.
    Rössle wies hinter sich, nickte. »Kopfschuss. Wie im Bärensee.«
    »Kopfschuss?«, wiederholte Braig. Er spürte den Schock, den die Information in ihm auslöste, schnappte nach Luft. Was immer er befürchtet hatte, diese Botschaft übertraf alles. Kopfschuss – derselbe Wahnsinn wie gehabt. Der Täter, wer immer es auch war, hatte sich nicht damit begnügt, seine Opfer mittels dieser Aufsehen erregenden Methode zu demütigen, er hatte sie vorher schon mit seiner Pistole ins Jenseits befördert. Was war der Hintergrund? Hatte er sichergehen wollen, dass seine Attacken auf jeden Fall tödliche Wirkung hatten? Oder war es sein Ziel, mit diesem Vorgehen auch in einer von Sensationen und demonstrativ zur Schau gestellten Perversionen übersättigten Gesellschaft große Aufmerksamkeit zu erregen? Wie auch immer die Motivation aussehen mochte – sie hatten es nicht mit einem gewöhnlichen Mörder, sondern mit einem seine Verbrechen akribisch genau realisierenden Täter zu tun.
    »Lassen Sie mich durch! Das ist mein Recht!«
    Braig hörte das Schreien, tauchte aus seinen Gedanken auf. Er drehte sich um, sah wenige Meter entfernt zwei mit Kameras bewaffnete Männer mit dem uniformierten Kollegen streiten. Braig kannte beide, wusste, dass sie für das schmutzige Boulevardblatt arbeiteten, das mit seinen alltäglichen Appellen an die niedrigsten Instinkte immer neue Gift- und Dreckspuren durchs ganze Land legte. Er sah, dass es dem Kräftigeren der beiden Männer gelang, sich an dem Beamten vorbeizuschieben, wandte Rössle den Rücken zu, eilte dem Journalisten mit hoch erhobenen Händen entgegen. Der Mann streckte seine Kamera zur Seite, versuchte, die Szene am See auf einen Chip zu bannen. Braig stellte sich ihm mitten in den Weg, riss ihm den Fotoapparat weg.
    »Bayer, sind Sie des Wahnsinns?«, rief er. »Sie zerstören Spuren. Das ist ein Tatort.«
    Sein Gegenüber grinste höhnisch, hob seine Hände in die Höhe. »Weshalb so aufgeregt, Herr Kommissar? Doch nicht dasselbe Spiel wie im Bärensee?« Er schnalzte genüsslich mit der Zunge, trat einen Schritt zurück. »Wieder ein Toter?«
    Braig spürte die Wut in sich, stieß den Mann zurück, bis sie bei dem uniformierten Kollegen angelangt waren.
    »Das gibt Schlagzeilen«, erklärte der Reporter und pfiff durch die Zähne, »wau, das reicht für mehrere Tage.«
    Braig warf ihm die Kamera mit einem solchen Schwung zu, dass sie ihm ans Kinn prallte, drehte sich angewidert von dem Mann weg. Er hörte die aufgeregten Entschuldigungen des Beamten, bat ihn, niemanden passieren zu lassen, lief wieder zum Wasser zurück. Warum nur mussten sie hinnehmen, überlegte er, sich alle paar Tage von immer denselben schmierigen Typen wieder in ihre Arbeit pfuschen zu lassen? Er hatte im Verlauf der letzten Jahre so viele aufgeschlossene und wagemutige Journalisten kennen und schätzen gelernt, die Tag für Tag ihrer oftmals sehr schwierigen Arbeit nachgingen und im Kleinen wie im Großen dafür sorgten, demokratischen Prinzipien auch gegen vielerlei Widerstände zum Recht zu verhelfen – Helden des Alltags, denen zu einem großen Teil die geistige Freiheit dieses Landes zu verdanken war –, dass er sich immer häufiger fragte, warum es nicht gelang, den Deckmantel des Journalismus missbrauchenden Gestalten wie Bayer endgültig einen Riegel vorzuschieben.
    »Den dät i am liebschte persönlich dotschlage«, empfing ihn Rössle mit lauter Stimme. »Warum hent die heut

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