Schwaben-Wahn
Glauben zu schenken. »Wann haben Sie das letzte Mal von Wangbiehler gehört?«, fragte er.
Markert lehnte sich auf dem Sofa zurück, wischte sich die Haare aus der Stirn. »Am Sonntagmittag«, sagte er langsam, mit deutlich genervtem Unterton, »wie oft soll ich …« Er verstummte augenblicklich, weil ein Blitz das Zimmer in gleißendes Licht tauchte, verzog sein Gesicht, als der darauf folgende Donnerschlag die Fenster klirren ließ.
Braig verfolgte seine Mimik, glaubte, dass er die Wahrheit sagte. »Und Sie, was ist mit Ihnen?« Er drehte sich zur Seite, schaute auf die dünne Gestalt Demskis, der immer noch vor dem Sofa stand und ihr Gespräch mit Interesse verfolgte.
»I? Was soll i sage?« Seine Arme flatterten nervös durch die Luft, brachten seine Unsicherheit deutlich zum Ausdruck.
»Wohin wollte Wangbiehler am Sonntagmittag?«
Sven Demski wusste nicht, wie er reagieren sollte. Er trat auf der Stelle, hob seine Arme, griff dann wieder nach seinem T-Shirt, warf den Kopf hin und her. Intensiver Schweißgeruch ging von ihm aus.
»I woiß nix, i han´s doch oft genug scho gsait.«
13. Kapitel
Das Telefon läutete wenige Minuten vor sieben. Braig, der nach einer langen, fast schlaflosen Nacht, in der er seiner Empfindung nach alle halbe Stunde von den beißenden Schmerzen an seiner Kopfwunde wach geworden war, am Morgen endlich in eine tiefere Schlafphase gefunden hatte, schreckte hoch, griff nach dem Hörer. »Ja?«
»Weisshaar hier. Tut mir Leid. Guten Morgen. Es ist wieder passiert.«
»Was ist passiert?« Braig sah, wie Ann-Katrin neben ihm zu sich kam, ihr Gesicht in seine Richtung wandte und die Augen aufschlug.
»Dasselbe wie am Bärensee. Nur diesmal in Ludwigsburg. Am Schloss Monrepos.«
»Wie bitte?« Er glaubte, nicht richtig gehört zu haben, sah Ann-Katrins müden Blick. »Was ist mit Schloss Monrepos?«
»Ein Auto mit einem Toten«, antwortete Weisshaar. »Im See vor dem Schloss. Du kümmerst dich darum?«
Braig, dem langsam dämmerte, was der Kollege da erzählte, sagte zu, legte den Hörer wieder auf.
»Was ist los?«, hauchte Ann-Katrin.
Braig richtete sich vorsichtig auf, schlug das Federbett zurück. »Ein Auto mit einem Toten im See von Schloss Monrepos«, sagte er.
»Genau wie im Bärensee?«
Er sah ihren fragenden Blick, wusste nicht, was er antworten sollte. »Anscheinend.« Er trottete ins Bad, betrachtete im Spiegel den Verband an der Schläfe, rasierte sich, stellte sich dann unter die Dusche. Die bohrenden Schmerzen verflogen unter dem schnellen Wechsel von warmem und kaltem Wasser.
Er trocknete sich ab, zog sich an. Lange Leinenhosen, ein weißes Hemd mit kurzen Ärmeln, eine helle Sommerjacke. Er öffnete einen Flügel des Küchenfensters, spürte nur warme Luft. Trotz des heftigen Gewitters am gestrigen Abend schienen die heißen Temperaturen nicht weichen zu wollen. Braig erinnerte sich, wie er von der Wohnung Demskis zum Göppinger Bahnhof gerannt war. Sekunden, bevor die große Sintflut eingesetzt hatte. Unterwegs im Zug war er besorgt, mitsamt den Gleisen weggeschwemmt zu werden. Alle Schleusen des Himmels hatten sich geöffnet, was wochenlang zuvor an Niederschlag gefehlt hatte, war jetzt in wenigen Minuten nachgeholt worden. Fontänen hatten die Fenster verhüllt, orkanartige Windböen Bäume entwurzelt und Dächer abgedeckt.
Mitten in dem Toben war sein Blick auf eine Zeitung gefallen, die jemand im Zug hatte liegen lassen.
Mehr Kriminalität durch die EU- Osterweiterung vom 1. Mai?
Er hatte nur den Kopf geschüttelt ob dieser dick gebalkten populistischen Überschrift, hatte die Zeilen darunter nicht gelesen. Erst bei einer anderen Meldung, etwa auf der Mitte der Seite, war er neugierig geworden.
Wangbiehler droht mit Verlagerung seiner Arbeitsplätze nach Tschechien
.
Überrascht hatte er die Zeitung an sich genommen, den Text aufmerksam studiert. Wangbiehler, so war zu lesen, kündigte die Schließung seiner Werke in Backnang und Aalen an, falls die Bundesstraße nicht bald durch den Neubau einer vier Spuren umfassenden Schnellstraße ergänzt werde. Es sei seinen Geschäftskunden nicht zuzumuten, auf dem Weg vom Flughafen zu seiner Firma im Stau zu stehen. Wenn die Straße nicht bald gebaut würde, sehe er sich gezwungen … Alle einhundertzwanzig Arbeitsplätze stünden zur Disposition, seine Verhandlungen in Tschechien seien kurz vor dem Abschluss, der Verlagerung stehe nichts mehr im Weg.
Braig wäre vor Wut fast aufgesprungen, hatte die Zeitung
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