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Schwaben-Wahn

Schwaben-Wahn

Titel: Schwaben-Wahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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war unfähig, eine weitere Frage zu stellen.
    »Das Krankenhaus?«, hauchte Ann-Katrin.
    Er hatte Mühe, sich aus seiner Betäubung zu lösen, schüttelte den Kopf. »Das Amt. Ein neuer Mord. In einem Auto im Wasser.«
    Sie starrte apathisch an ihm vorbei, zeigte keine Reaktion.
    »Das Amt, verstehst du?« Er rüttelte an ihrer Schulter, zog sie zu sich her. »Mit Mama hat das nichts zu tun.«
    Sie atmete tief durch, ließ einen leisen Seufzer hören.
    »Hast du mich verstanden?«, fragte er.
    Ann-Katrin nickte, wischte sich die Haare aus dem Gesicht. »Das Amt.«
    Braig nahm wieder den Telefonhörer ans Ohr, fragte nach dem Ort des Verbrechens.
    »Böblingen«, antwortete Stöhr, »im Oberen See.«
    »Wo?«
    »Gleich am nördlichen Ufer.«
    »Mitten in der Stadt?«, rief Braig. Er kannte die beiden Seen im Zentrum von Böblingen, wusste, dass sie auf der Nordseite von Häusern gesäumt wurden, wollte die Nachricht nicht glauben.
    »Es tut mir ja Leid, so haben es die Kollegen gemeldet.«
    »Jaja, ist schon gut. Ich fahre sofort hin. Die Techniker sind informiert?«
    »Sie wissen Bescheid, ja.«
    Er legte auf, drückte Ann-Katrin an sich, deckte sie zu. »Schlaf noch eine Runde. Von Theresa ist noch nichts zu hören. Ich rufe in Waiblingen an und entschuldige dich. Du musst dich um Mama kümmern.«
    Sie signalisierte mit einem angedeuteten Nicken ihre Zustimmung, hörte wortlos zu, wie er ihre Dienststelle verständigte und die Situation erklärte. Braig stapfte vorsichtig ins Bad, rasierte und erfrischte sich, versorgte seine Kopfwunde mit einem neuen Pflaster, zog sich dann an. Er aß ein trockenes Brot im Stehen, trank zwei Gläser Wasser dazu, warf noch einen Blick ins Schlafzimmer. Ann-Katrin war wieder eingeschlafen. Da schlich er sich auf Zehenspitzen aus der Wohnung.
    Die kalte Luft draußen traf ihn wie ein Schlag. Es hatte sich dermaßen abgekühlt, dass ihn schon nach wenigen Metern fröstelte. Passanten drückten sich mit verkniffenen Gesichtern und eng an sich gepresster Kleidung an ihm vorbei, den Blick auf den Boden gerichtet. Braig beeilte sich, die S-Bahn-Station
Feuersee
zu erreichen, nahm den nächsten Zug nach Böblingen. Sein Kopf schmerzte, ein penetrantes Dröhnen hing quälend in seinen Ohren. Er hatte Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren, wusste nicht, wie es ihm gelingen sollte, die ohnmächtig im Krankenhausbett leidende Gestalt aus seinen Gedanken zu vertreiben und sich auf die neue Unglücksbotschaft, den dritten so theatralisch inszenierten Mord einzulassen. Würde es gelingen, endlich herauszufinden, wer so skrupellos war, drei Menschen nacheinander zu töten, drei Leben auszurotten, um sein irrwitziges Ziel zu verwirklichen? Handelte es sich bei den Tätern wirklich um die Erpresser, die ihren Forderungen mit solch barbarischen Methoden größeres Gewicht verleihen wollten? Drei Menschen – bis jetzt! – ermordet, nur um an Unsummen von Geld zu gelangen? Und wenn nicht bald gezahlt wurde, was dann? In ein, zwei Tagen das nächste Opfer, irgendwo in der Umgebung, wieder so theatralisch hingerichtet wie die ersten drei?
    Die Täter mussten von unergründlich tiefem Hass besessen sein, von Affekten getrieben, die jedes herkömmliche Maß weit übertrafen. Konnte es sich bei solch barbarisch vorgehenden Verbrechern um anderes als Terroristen handeln – wie der Oberstaatsanwalt es vermutete – eine Bande von Kriminellen?
    Braig schrak erst aus seinen Gedanken auf, als eine sonore Tonbandstimme die Ankunft in Böblingen verkündete. Er fühlte sich müde und unausgeschlafen, hatte Mühe, sich von seinem Platz zu erheben und den Zug zu verlassen. Als er auf dem Bahnsteig stand, spürte er fröstelnd den kalten Westwind. Er knöpfte seine Jacke zu, folgte der von unzähligen Passanten bevölkerten Bahnhofstraße.
    Der Weg war nicht weit, er kannte ihn von früheren Ermittlungen in Böblingen. Drei, vier Minuten, dann über die stark befahrene Herrenberger Straße und schon hatte er den Unteren See erreicht. Er eilte an dessen nördlichem Ufer entlang, passierte die modernen Gebäude des Kongresszentrums und der Wandelhalle und hatte den Oberen See unmittelbar vor sich: die vom kalten Wind aufgewühlte, von unzähligen Wellen gekrönte Wasserfläche, rechts der dichte Schilfgrasgürtel, der den See im Westen begrenzte und links die Uferstraße, von Mehrfamilienhäusern und teuren, terrassenförmig angelegten Apartments gesäumt. Braig brauchte nicht zu überlegen, wohin er sich wenden

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