Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwaben-Wahn

Schwaben-Wahn

Titel: Schwaben-Wahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
Vom Netzwerk:
zögerte. »Die Waiblinger Kollegen haben uns benachrichtigt. Im Zusammenhang mit den Erpresser-Morden, heißt es hier.«
    Braig stöhnte laut auf. »Okay, ich übernehme. Was ist mit Frau Neundorf?« Sie wohnte in Waiblingen, hatte den kürzesten Weg.
    »Sie ist heute Morgen nicht verfügbar«, antwortete Stöhr, »ich weiß nicht weshalb.«
    »Die Spurensicherung ist verständigt?«
    »Tut mir Leid, ich kann niemand erreichen. Wir haben drei schwere Autounfälle und einen Großbrand in Esslingen.«
    »Ich kümmere mich darum«, sagte Braig, »Herr Rössle ist hier bei mir.« Es tut mir Leid, es tut mir verdammt Leid! Ich kann diesen Wahnsinn bald nicht mehr ertragen, dachte Braig. Er sah, wie sich die Stirn des Technikers in Falten legte, steckte sein Handy weg. »Waiblingen«, erklärte er, »ein Fahrzeug im Wasser.«
    »Sind jetzt alle übergschnappt?«
    »Stöhr kann keinen Techniker erreichen. Mehrere Unfälle.« Braig spürte den kalten Wind, der das Wasser zu Schaumkronen peitschend über den See jagte, sah Rössles vergebliche Bemühungen, seine Hosen und die Stiefel zu trocknen. »Du solltest nach Hause, trockene Sachen anziehen.«
    Der winkte ab. »Mi wirft so schnell nix um!«
    »Dann fahren wir nach Waiblingen, ja?«
    Er erhielt keine Antwort, sah nur, wie der Kollege sein Gesicht verzog und leise vor sich hin maulte. Er räumte seine Sachen zusammen, nahm sie in die linke Hand, zeigte auf die Appartementhäuser. »Da vorne han i den Karre parkt.«
    Braig verabschiedete sich von den uniformierten Beamten, bat sie, im LKA Bescheid zu geben, falls sie doch noch etwas Überraschendes ermitteln sollten, folgte dem Techniker den Uferweg entlang. Ältere Passanten mit angeleinten Hunden, Radfahrer und eine Horde lärmender Kinder kamen ihnen entgegen, das Auto im Wasser im Visier. Der von frühlingshaft belaubten Bäumen gesäumte See bot ein idyllisches Panorama, das Braig an seinen Urlaub im Süden erinnerte: Häuser mit üppig grünen Gärten, eine friedliche Uferpromenade, die weite Fläche des Sees, auf der gegenüberliegenden Seite von einem dichten Schilfgürtel begrenzt. Allein der beißend kalte Wind und die überraschend hohen Wellen passten nicht zu diesem Bild.
    Er folgte seinem Kollegen bis zur Mündung der Spielbergstraße, deren Zufahrt durch eine Schranke versperrt war, beobachtete die Bemühungen des Technikers, der neben der Schranke niederkniete und das Metall musterte.
    »Do isch der Karre vorbeigschrammt«, sagte Rössle und deutete auf den Gehweg neben der Schranke, »die Spure sind net zu übersehe.« Er erhob sich, lief weiter.
    Braig starrte auf das Ende der Schranke, sah die roten Lackspuren. Die Begrenzung der Fahrbahn zu umgehen, war an dieser Stelle in der Tat nicht besonders schwer: Der Gehweg unmittelbar neben der Straße bot einem schmalen Fahrzeug Platz genug.
    Er stieg zu Rössle in den Kombi. »Saufkumpane«, sagte er, »das passt. Hören von den Verbrechen im Bärensee und in Monrepos und machen sich einen Spaß daraus, das nachzuahmen. Ich fürchte nur, dass der Richter dem nicht zustimmen wird.«
    »Elende Schweinebande«, knurrte Rössle, »woisch du, wann i heut Nacht ins Bett komme bin?« Er startete das Fahrzeug, bog in die Hauptstraße ab.
    »Du hattest einen Einsatz?«
    »Einsatz isch gut. Das war Krieg.« Der Techniker trommelte vor Wut aufs Steuerrad. »I han den Autowahn satt. Reschtlos. Und jetzt hock i scho wieder in dem Karre.«
    »Ein Unfall?«
    »Kurz nach Mitternacht mit Affentempo überholt. Zwei Tote, zwei Schwerverletzte. Zwische Weil und Esslingen auf der Schnellstraß. Mir hent die Überreste von dene aus em Neckar gfischt. Den halbe Weg Richtung Obertürkheim. Um viere war i dahoim.«
    Braig gab keine Antwort, konnte sich den Anblick, dem der Kollege in der Nacht ausgesetzt gewesen war, gut vorstellen. Zwischen zwei Büschen ein aus dem Schultergelenk gerissener Arm, unter der Leitplanke ein Fuß. Zehn Meter weiter im Gras zwei Finger, im Ast eines Baumes ein Bein. Zu oft hatte er es selbst mit ansehen, der Ursachenforschung wegen detailliert untersuchen müssen. Bilder, die nicht mehr so schnell aus dem Bewusstsein gelöscht werden konnten.
    »Und du? Was isch mit dir?«, fragte Rössle. Er war auf die Schnellstraße Richtung Stuttgart eingebogen, warf Braig einen kurzen Blick zu. »Alles gut überstande?«
    »Schneller als ich dachte.« Er fuhr sich sachte über seine Schläfe, wo der Schorf der Wunde unter dem Pflaster zu spüren war. »Ich hoffe,

Weitere Kostenlose Bücher