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Schwaben-Wut

Schwaben-Wut

Titel: Schwaben-Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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nie. Das ist der Tag des Herrn. Wir achten sehr darauf.«
    Braig betrachtete die Frau nachdenklich, überlegte, welche Schlussfolgerungen aus ihren Bemerkungen zu ziehen wären. »Wie heißt der Kunde? Wissen Sie Namen und Ort, wo sie sich treffen wollten?«
    Klara Greiling schüttelte den Kopf. »Das hat er bisher nie getan. Nie.« Ihre Stimme drohte zu kippen, so heftig stieß sie die Worte hervor.
    Braig versuchte, sie zu verstehen. »Kundengespräche am Abend, auch samstags waren nicht außergewöhnlich«, hakte er nach.
    »Es war kein Gespräch mit einem Kunden«, erwiderte Esther Carl.
    »Moment, aber Ihre Mutter sagte doch ...«
    »Tabea war heute Morgen hier. Sie wusste nichts von einem Gespräch. Und in seinem Terminkalender ist auch nichts verzeichnet. Dabei hat er sonst jede Kleinigkeit festgehalten.«
    »Tabea?«
    »Seine Sekretärin. Sie weiß über alles Bescheid. Ohne Tabea hätte er nicht soviel Erfolg.« Sie schwieg, fügte dann »gehabt« hinzu, weinte leise.
    Braig begriff langsam, was ihre Erklärung bedeuten konnte. Hans Greiling hatte, ganz gegen seine sonstige Gewohnheit, seine Frau belogen. Jedenfalls nach den Aussagen der Sekretärin und des Terminkalenders. Er musste beides genau überprüfen.
    »Sie glaubten aber, er sei unterwegs zu einem Kunden?«, fragte er, an Frau Greiling gerichtet.
    Sie nickte. »So hat er es mir erzählt.«
    »Um wie viel Uhr ging er weg?«
    Die Frau überlegte. »Gegen neun. Nicht viel früher. Wir lasen beide in der Bibel, als er merkte, wie spät es war.«
    »In der Bibel?«
    Klara Greiling nickte mit dem Kopf. »Im Wort Gottes.«
    Braig schluckte, ging nicht weiter auf ihre Bemerkung ein. Er fand den Zusammenhang absurd. Liest das Wort Gottes und wird kurz darauf brutal getötet. Wie passte das zueinander?
    Greilings waren offensichtlich Anhänger einer Sekte. Die Familie legte jedenfalls Wert auf einen ihrer Konfession gemäßen Lebensstil.
    Hatte sich Braig bei seinen ersten Ermittlungen im Schwäbischen noch über die große Zahl bekennender Christen gewundert, von denen sich viele in unzähligen kaum noch überschaubaren Zirkeln und Freikirchen streng von der Welt und auch von ihren »falsch orientierten« Glaubensgeschwistern absonderten, waren ihm viele ihrer Bräuche mit der Zeit vertraut geworden.
    Er hatte etliche liberale gesellschaftlich und politisch engagierte Kirchenmitglieder kennen und ihre Arbeit mehr und mehr schätzen gelernt. Viele von ihnen standen mitten in sozialen Brennpunkten des Landes, halfen, Notlagen unglücklicher Menschen zu bewältigen und kämpften gegen die soziale Benachteiligung von Randgruppen. Eine-Welt-Läden, welche die Ärmsten der Armen in unterentwickelten Ländern unterstützten, Tafel-Shops, die Waren des täglichen Bedarfs an die sozial Schwachen des eigenen Landes billigst verkauften, Vesper-Aktionen, etwa in der Stuttgarter Leonhardskirche, die monatelang kostenlose Mahlzeiten an Obdachlose und andere Bedürftige verteilten, zeugten von ihren Aktivitäten.
    Anders sah sein Verhältnis zu religiösen Fundamentalisten der unterschiedlichsten Gruppierungen aus. Seine Gefühle vielen dieser Leute gegenüber waren gemischt. Nicht immer waren ihm im Kontakt mit ihnen die besten Erfahrungen zuteil geworden – ganz im Gegenteil. Er dachte an das fanatische, halb verrückte Bauernpaar Steimle in Echterdingen, das er bei seinen Untersuchungen um die Schwaben-Messe vor wenigen Jahren kennengelernt hatte. Tagsüber hatten die beiden frommen Gestalten eifrig Gottes Wort studiert, um über das angeblich nahe Ende der Welt informiert zu sein und nachts waren sie geifernd vor Neugier mit einem Fernglas in ihrem Stall unterwegs gewesen, um die Sommerfeste ihrer Nachbarinnen samt deren esoterischen Praktiken zu verfolgen und sie dann als satanische Messen zu verunglimpfen. Kein Wunder, dass er auf Fundamentalisten seither oft sehr skeptisch reagierte.
    »Ihr Mann nannte keinen Namen?«, fragte er.
    Klara Greiling schüttelte den Kopf.
    »Auch nicht den Ort, wo er den Kunden treffen wollte?«
    »Hier in der Stadt. In der Nähe vom Hallenbad. Ich fragte nicht nach, warum auch?«
    »Der Weg den Hang abwärts führt dorthin?«
    Esther Carl bestätigte seine Vermutung. »Eine Fußgängerbrücke überquert die Murr. Zu Fuß sind es vielleicht zwei, drei Minuten vom Hallenbad zu ...« Sie stockte, unterbrach ihre Antwort.
    Braig verstand ihre Andeutung. Hatte er sich am Hallenbad mit seinem Mörder getroffen?
    »Wenn es kein Kunde war,

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