Schwaben-Wut
des öffentlichen Raumes war von den städtischen Behörden detailliert verplant, jede Straße, jeder Platz mit akribischer Sorgfalt unter den Brauereien und Gasthöfen der Region aufgeteilt und von diesen mit Bänken und Tischen möbliert worden. Bäume und Sträucher in großvolumigen Kübeln schmückten die Häuser. Getränkeausschänke, Pommes- und Wurstbuden, Podien für die zahlreichen Musikkapellen standen fast zu dicht beieinander.
Unterhalb der Altstadt, jenseits des schmalen Flusses, boten Karussells, Autoscooter, Wurfbuden, eine Geisterbahn und ein Riesenrad inmitten unzähliger Kirmesbuden ihre Dienste an.
Von Freitagabend bis zum frühen Dienstagmorgen war in der Stadt die Hölle los. Menschenmassen zwängten sich durch die schmalen Gassen. Alte wie Junge, Frauen und Männer, ein großer Teil der Bevölkerung des gesamten Umlandes genossen die hautnahen Kontakte, unverhofften Begegnungen, die Musik, das Essen, die Getränke.
Budenbetreiber, Wirte und Brauereien frohlockten angesichts der Umsätze. Je länger der Rummel währte, desto ausgelassener wurde die Stimmung. Bier und Wein flossen, die Hitze der frühen Sommertage sorgte für Durst. Alkoholiker und Quartalssäufer ließen alle Hemmungen fallen. Mehr und mehr Besucher gerieten außer Rand und Band.
Samstagabend, etwa zwei Stunden vor Mitternacht, schien der erste Höhepunkt erreicht. Albrecht Schwarz, Inhaber und Seniorchef einer gleichnamigen, ortsansässigen Baufirma, leerte sein siebtes oder achtes Glas, erhob sich leicht schwankend von seinem Platz, klammerte sich mit der Linken am Tisch fest. Er blickte in die Runde: Geschäftspartner, Familienangehörige, Mitarbeiter, Freunde, – heute Abend allesamt von ihm freigehalten! Er betrachtete ihre verschwitzten Gesichter.
»Und dann?«, rief eine kräftige, von allzu viel Alkoholkonsum deutlich gekennzeichnete Männerstimme. »Haben sie dich fertiggemacht?«
Schwarz thronte inmitten der Runde, sah die erwartungsvollen Mienen der Leute. Er spürte die Schweißperlen, die ihm von der Stirn tropften, wischte sie mit dem Handrücken weg. Der Bauunternehmer genoss die Situation, ließ sich Zeit mit seiner Antwort. Im Mittelpunkt zu stehen, von einer Menschenmenge umringt, die sich der herausragenden Stellung und des Reichtums, zu denen er es gebracht hatte, bewusst war, gab ihm den ultimativen Kick. Momente wie diese, wo Menschen aus allen Schichten der Bevölkerung, einfachere Leute, die bei ihm arbeiteten, Betuchtere, deren prächtige Villen er erstellt hatte, sich von ihm einladen ließen, zu ihm aufsahen, entschädigten für all den Stress und den Ärger, welcher sich unter der Woche immer aufs Neue ansammelten.
Schwarz spürte alle Herrlichkeit des Lebens in sich pulsieren, aber er spürte auch seine Blase. Er reckte seinen Stiernacken in die Höhe. »Ob die mi fertig gmacht hent?« brüllte er schwäbelnd in die laue Juninacht. »Die – mi?«, rief er noch lauter. Schwarz fühlte Wellen der Erregung durch seinen Körper laufen. Die Kapelle schmetterte die letzten Takte der Schwarzbraunen Haselnuss, verstummte. Für einen Moment war es überraschend ruhig im Stiftshof über dem Zentrum der Stadt. Der Bauunternehmer nutzte die Gunst des Augenblicks. »Nur über meine Leich, han i gsagt«, schrie Schwarz in das vielstimmige Menschengemurmel, das vermischt mit verschiedenen Melodien aus allen Gassen der Stadt emporklang, »anders kommet ihr net an mei Häusle na!« Er reckte seinen kräftigen Stiernacken noch weiter in die Höhe.
Zustimmendes Johlen und Klatschen setzte ein. Schwarz schien über sich hinauszuwachsen. »I bin schließlich selber Manns genug, für Recht und Ordnung zu sorge!«, brüllte er in die laut grölende Menge. Er schwenkte seinen leeren Bierkrug durch die Luft, reichte ihn dem Azubi, der sich dienstbeflissen um den flüssigen Nachschub kümmerte.
»Und dann han i’s dem Granatedackel vom Landratsamt ins Gsicht nei gsagt: Was i mit meim Häusle mach, goht euch an Scheißdreck a!« Er genoss die zustimmende Begeisterung seiner Zuhörer. »An Scheißdreck«, wiederholte Schwarz laut, »verstandet ihr Beamte-Ärsch des überhaupt?«
Laute Ovationen folgten.
»Der Schwarz baut nie schwarz!«, donnerte der Bauunternehmer, »merket euch des!«
Die abrupt einsetzenden Rhythmen der Musikkapelle stahlen ihm die Schau. Schwarz genoss die Szene trotzdem. Er hatte es zu etwas gebracht in seinem Leben, mit seiner eigenen Hände Werk, durch seinen Fleiß, Cleverness,
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