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Schwaben-Wut

Schwaben-Wut

Titel: Schwaben-Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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wer dann?«
    Mutter und Tochter sahen ihn ratlos an.
    »Ich weiß es nicht«, erklärte Klara Greiling, »aber glauben Sie mir eines: So wahr wir Gottes Kinder sind, Hans hat mich noch nie belogen. Sein ganzes Leben nicht. Er war unserem Herrn immer treu.« Zum ersten Mal an diesem Mittag erstickte ihre Stimme in Tränen.

6. Kapitel
    Der Terminkalender wie auch die Aussagen Tabea Scheichs bestätigten die Worte der Witwe. Den offiziellen Angaben zufolge hatten Hans Greiling am Abend seiner Ermordung keinerlei geschäftliche Verpflichtungen erwartet. Mit wem er sich statt dessen treffen wollte, war auch seiner Sekretärin unbekannt.
    »Hans, Herr Greiling«, betonte die Frau, eine stämmige Person mit kräftigen Armen und einem breiten rotwangigen Gesicht, »ist absolut korrekt in allem, was er tut. In all den Jahren, seit ich bei ihm arbeite, ist es nie vorgekommen, dass er einen Geschäftstermin vergaß. Er trägt alles, ausnahmslos alles, in den Kalender ein.« Sie war notdürftig dunkel gekleidet, mit einer alten, schon etwas abgetragenen Jacke, einem langen schwarzen Rock.
    Braig blätterte den großformatigen, protzig in dickes Leder eingebundenen Merker durch. Jeder Tag war mit mehreren Terminen belegt, alle Werktage, auch der gestrige Samstag. Zwei Verabredungen, eine um zehn Uhr in Großaspach an der Juliana-Kirche und eine um 14.30 Uhr in Oppenweiler am Bahnhof, prangten mitten auf dem Blatt.
    Esther Carl hatte ihn auf seinen Wunsch hin ins Büro ihres Vaters begleitet, Frau Scheich telefonisch dazugebeten.
    »Herr Greiling kümmert sich meistens persönlich um unsere Kunden. Nur Unwichtiges überlässt er Samuel, seinem Sohn.« Sie sprach immer noch in der Gegenwart von ihrem Chef, als sei er noch am Leben.
    »Sein Sohn arbeitet mit?«
    Tabea Scheich nickte. »Seit acht Jahren. Sie verstehen sich gut. Samuel hat die Begabung seines Vaters.«
    »Wo ist Herr Greiling jun.? Hat er vielleicht eine Ahnung, wen sein Vater gestern Abend getroffen hat?«
    Esther Carl mischte sich ins Gespräch. »Bestimmt nicht. Sam hat Urlaub. Schon die ganze Woche.«
    »Er ist nicht hier?«
    »Morgen wird er kommen. Wir haben mit ihm telefoniert. Er ist im Missionshaus bei Nürtingen.
    Braig zog seine Stirn in Falten, starrte der Frau mit unverhohlenem Misstrauen ins Gesicht. Esther, Samuel, Tabea, alle ihre Namen klangen irgendwie fromm. Der Vater und die Mutter verbringen den Samstagabend mit Bibellesen. Der Sohn seinen Urlaub im Missionshaus. Nun ja.
    Esther Carl bemerkte die Veränderung in seinen Augen, lächelte. »Meine Eltern und mein Bruder sind sehr gläubig.«
    »Du auch, Esther«, ergänzte Tabea Scheich, »du gehörst auch zu uns.«
    »Nein«, erwiderte Esther Carl, »die Zeiten sind endgültig vorbei.«
    Braig spürte den Konflikt, der in der Luft lag, wollte sich auf keine religiöse Kontroverse einlassen, nahm den Kalender nochmals zur Hand. »Wer trug die Termine ein?«, fragte er. »Herr Greiling selbst?«
    Tabea Scheich schüttelte den Kopf. »Nein, das ist meine Aufgabe. Ich sammle die Daten und bringe sie in eine ordentliche Reihenfolge, damit für alle Kunden genügend Zeit bleibt.«
    »Sie sind jeden Tag im Büro?«
    »Bis auf Samstag und Sonntag, ja.«
    »Wer nimmt die Telefonanrufe entgegen?«
    »Im Büro? Ich.«
    »Die Post?«
    »Das ist ebenfalls meine Aufgabe.«
    »Ich nehme an, Herr Greiling hatte ein gutes Verhältnis zu Ihnen?«
    Tabea Scheich errötete. »Wie meinen Sie das?«
    Braig spürte erst jetzt die Zweideutigkeit seiner Frage, beeilte sich, sie zu präzisieren. »Er vertraute Ihnen, wollte ich sagen.«
    »Aber natürlich. Auch ich bin ein Kind Gottes.« Sie sah ihm offen in die Augen. »Wir kennen uns aus der Gemeinde.«
    Die kennen kein anderes Thema, schoss es ihm durch den Kopf. Religiöse Inzucht, wenn es denn so etwas gibt, Bigotterie pur. Ein Leben hinter unsichtbaren Gitterstäben, abgetrennt vom Rest der Welt.
    Braig suchte krampfhaft nach einem neuen Ansatz. »Er hatte kein Handy?«
    Tabea Scheich antwortete sofort. »Doch, klar. Damit ich ihn erreichen kann, wenn er unterwegs ist.«
    Das war es also, überlegte er. Wer immer ihn am Samstagabend getroffen hatte, der Termin war über das Handy vermittelt worden. Sie mussten die Nummer und alle Verbindungen bei der Telefongesellschaft überprüfen lassen.
    »Er nutzt es aber nur für interne Gespräche. Mit seiner Frau oder mir. Fremden ist seine Nummer nicht bekannt. Er will bei Kundengesprächen nicht unterbrochen werden,

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