Schwaerzer als der Tod Thriller
auf einmal völlig anders, kalt, nüchtern. Irgendetwas stimmte nicht.
»Ja? Was meinst du mit ja?«
»Ja«, wiederholte er. »Frank ist gerade hier im Büro des Sheriffs erschienen und hält Cal Dixon eine Waffe an den Kopf.«
77
Farman hielt Dixon im Würgegriff und presste dem Sheriff die Mündung seiner.38er an die Schläfe.
Alles war so schnell gegangen, so unerwartet. Niemand hatte mit etwas Derartigem gerechnet, aber das hätten sie tun sollen, dachte Vince.
Frank Farman definierte sich über seinen Beruf, über seine Uniform. Nach mehr als zehn Jahren im Büro des Sheriffs und mit hevorragenden Beurteilungen hätte er jeden Job bekommen können, den er wollte. Er hätte Detective werden können. Er hätte im Drogendezernat arbeiten können. Leute wie ihn, die sich immer strikt nach dem Buchstaben des Gesetzes richteten, suchten sie auch beim FBI oder sogar beim
Secret Service. Aber Frank Farman hatte sich für die Uniform entschieden, weil er die Uniform war.
Im Lauf der Jahre hatte Vince mit vielen Frank Farmans zu tun gehabt, das reichte bis zurück in die Zeit bei den Marines. Unbeugsam. Ein Paragraphenreiter. Humorlos. Kein Wunder, dass sich solche Leute ständig wegen irgendetwas auf den Schlips getreten fühlten. Es war geradezu unvermeidlich, dass sie alles, was mit ihrer Arbeit zu tun hatte, ungeheuer wichtig nahmen und sogar jedes Wort ihrer Kollegen und Vorgesetzten auf die Goldwaage legten.
Wenn die Arbeit alles für sie war, war alles in ihrem Leben auf die Arbeit ausgerichtet. Eine Bedrohung ihres Jobs war dann eine Bedrohung ihres Selbstwertgefühls, und Männer wie Frank Farman endeten als Amokläufer, oder sie hielten jemandem eine Waffe an den Kopf.
Innerhalb weniger Tage hatte die Welt, die Frank Farman sich so sorgfältig aufgebaut hatte, zu bröckeln begonnen, und schuld daran war - in Farmans Augen - sein alter Freund Cal Dixon.
Sie mussten unmittelbar nacheinander durch die Seitentür am Ende des Flurs, an dem der Besprechungsraum lag, hereingekommen sein - zuerst Dixon, Farman gleich hinter ihm. Dixon hatte vermutlich nicht besonders aufmerksam auf seine Umgebung geachtet, als er nach einigen anstrengenden Stunden mit Jane Thomas und Karly Vickers’ Mutter aus dem Krankenhaus zurückkehrt war. Er war müde und hatte andere Dinge im Kopf. Er hatte bestimmt nicht über die Schulter gesehen, als er das Gebäude betrat, aber Farman musste ihm mit ein paar wenigen Schritten gefolgt sein.
Als Dixon die Tür zum Besprechungsraum öffnete, war Farman auch schon bei ihm - einen Arm um seinen Hals, die Waffe auf seinen Kopf gerichtet -, schob ihn in den
Raum und postierte sich auf der Seite, mit dem Rücken zur Wand.
So, wie sie jetzt dastanden.
Vince hatte gerade Anne angerufen, als es passierte. Ohne Farman aus den Augen zu lassen, beendete er das Gespräch, legte den Hörer auf und wählte den Notruf, nur für den Fall, dass draußen auf dem Flur niemand etwas mitbekommen hatte.
Die Vermittlung meldete sich. »Notrufzentrale. Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Frank«, sagte Vince laut, »das hier ist ein Besprechungsraum. Sie können nicht im Besprechungsraum auftauchen und mit einer Waffe herumfuchteln. Warum legen Sie die Waffe nicht weg? Lassen Sie uns reden.«
Farman blickte durch ihn hindurch.
»Alle da rüber«, sagte er und deutete auf die Wand mit der einzigen Tür. Er wollte durch die Scheibe den Flur im Blick haben.
Vince blieb, wo er war - gegenüber der Tür. Hamilton und Hicks folgten seinem Beispiel und rührten sich ebenfalls nicht vom Fleck, sodass Farman wohl oder übel einen größeren Bereich des Raums im Auge behalten musste, als er wollte.
»An die Wand, oder ich jage ihm eine Kugel in seinen blöden Schädel!«
»Sieht so aus, als hätten Sie das ohnehin vor, Frank«, sagte Vince. »Sie wollen den Sheriff wegpusten.«
Er nannte absichtlich nicht Cal Dixons Namen. Er benutzte nicht das Wort »Freund«. Obwohl Farman und Dixon jahrelang Freunde gewesen waren. In Farmans Augen hatte Dixon ihn verraten. Er würde nur Öl ins Feuer gießen.
»Wir alle hier haben eine Waffe, Frank«, sagte Vince. »Sie können nicht alle von uns gleichzeitig erschießen. Sie erschießen
den Sheriff, und das war’s, wir erledigen Sie auf der Stelle. Sind Sie deswegen hergekommen? Soll das ein verkappter Selbstmord werden? Der Fluchtweg des Feiglings?«
»Ich bin kein Feigling«, sagte Farman.
»Erschießen Sie den Sheriff, und Sie sind etwas Schlimmeres als ein Feigling.
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