Schwaerzer als der Tod Thriller
Sinn, darüber jetzt noch Tränen zu vergießen«, sagte Vince. »Nach der ausführlichen Berichterstattung über den Prozess gegen den Kindermörder in Atlanta und die Spuren, die Wayne William verraten haben, hat jeder halbwegs intelligente Verbrecher sowieso schon damit angefangen, hinter sich sauber zu machen.«
»Vielleicht finden wir in ihrer Vagina ja Samenflüssigkeit«, sagte Mikado.
Wie sich zeigen sollte, ergab die Autopsie so gut wie nichts. Keine Bisswunden, die man mit dem Gebiss eines Verdächtigen in Übereinstimmung bringen könnte. Keine Hinweise auf bestimmte Waffen. Lisa Warwick war mit irgendetwas erdrosselt worden, aber das hatte außer Blutergüssen keine besonderen Abdrücke und auch keine Fasern hinterlassen. Irgendein weicher Stoff, überlegte Vince - ein Schal, eine Krawatte, eine Nylonstrumpfhose. Jedenfalls nichts, was man zurückverfolgen könnte.
Die Halsmuskulatur war wie vorhersehbar stark gequetscht, aber das Zungenbein, ein kleiner U-förmiger Knochen, der zwischen dem Mundboden und dem Kehlkopf sitzt, war noch intakt. Daraus und aus dem Fehlen von Blutergüssen, die von Fingern verursacht worden wären, schloss Vince, dass die Frau nicht mit bloßen Händen erwürgt worden war.
Mikado schaffte es nicht, die Augenlider zu öffnen. Mit ziemlicher Sicherheit hätte man in der Bindehaut des Auges punktförmige Blutungen gefunden - ein sicheres Zeichen für den Tod durch Ersticken. Alle Versuche, die Lider von den Augen zu entfernen, hätten nur dazu geführt, dass die Augen selbst zerstört worden wären.
»Schicken Sie einfach alles zusammen nach Washington«, sagte Vince, der sich lebhaft das Gesicht desjenigen vorstellen konnte, der eine Schachtel öffnete und zwei zerfetzte Augäpfel darin fand. »Denen wird schon etwas einfallen, wie sie an den Kleber herankommen.«
Die Lippen ließen sich leichter voneinander lösen. Sie stellten fest, dass Lisa Warwick ihre Zunge völlig zerbissen hatte.
Mikado sah in die Ohren des Opfers und fluchte leise. »Ihr Trommelfell wurde mit irgendetwas durchlöchert. Es ist völlig zerstört.«
»Das fehlende Stück in unserem Triptychon«, sagte Vince leise. »Nichts sehen. Nichts sagen. Nichts hören.«
Mendez wurde aschfahl, als er darüber nachdachte. Er ging zu einem Abfalleimer, auf dem »Kein Müll. Nur Organe« stand, und erbrach sich.
Selbst Dixon wirkte reichlich mitgenommen, und der hatte in seinem Lebens sicher schon einige übel zugerichtete Leichen gesehen. Er drehte sich kopfschüttelnd weg. Die Vorstellung, dass Lisa mit ihrem Grauen buchstäblich in ihrem eigenen Kopf eingesperrt worden war, war schier unerträglich.
Vince hätte gerne für die junge Frau gebetet. Aber obwohl er katholisch getauft und erzogen worden war, stand er schon seit langer Zeit nicht mehr auf gutem Fuß mit Gott. Er entdeckte einen Hocker an der Seite des Autopsietischs, setzte sich darauf und blendete das Geräusch der oszillierenden Säge aus, als Mikados Assistent den Schädel von Lisa Warwick aufsägte.
Im Laufe der Zeit hatte er viele Opfer gesehen, die so brutal misshandelt worden waren wie dieses, und jeder dieser Fälle hatte ihn mit dem Gefühl zurückgelassen, auf einen Schlag um zehn Jahre gealtert zu sein. So fühlte er sich auch jetzt: uralt, müde, morsch. Er fühlte sich, als würde er jeden
Augenblick zu Staub zerfallen, der auf den gelb gefliesten Boden rieselte, um später zusammen mit den Abfällen weggewischt zu werden.
»Wie soll ich mich nur jemals an so etwas gewöhnen?«, fragte Mendez leise.
»Mein lieber Mendez«, sagte Vince. »An dem Tag, an dem Sie sich an so etwas wie das hier gewöhnt haben, sollten Sie Ihren Beruf an den Nagel hängen. Denn dann sind Sie kein Mensch mehr.«
20
»Was glaubst du, Liebes?«, fragte Franny. Er reichte ihr ein Glas weißen Zinfandel und setzte sich neben sie auf die Stufen der hinteren Veranda. »Gewährst du in deiner fünften Klasse einem Verbrecher Unterschlupf?«
Anne nahm einen großen Schluck. Der Abend war frisch. Sie saßen beide in dicken Pullovern da und waren dicht aneinandergerückt, um sich gegenseitig zu wärmen. Frannys Hunde, ein Basset und ein Cockerspaniel, schnüffelten im Garten herum und trabten immer wieder durch den bleichen Lichtkegel der Verandabeleuchtung.
»Natürlich nicht. Ich finde es nur äußerst verstörend, dass Dennis schon vor dem gestrigen Tag etwas in dem Wald gesehen haben könnte. Sind da etwa noch andere Leichen? Was geht da vor sich? Jetzt
Weitere Kostenlose Bücher