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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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Stadt, die Welt war ein riesiger dunkler Ball und da drinnen regnet es immer, er warf sich ins Wasser und schwamm durch die wütende Dunkelheit, kraulte auf dem schnellsten Weg nach Haus.

13. Dies ist auch ein Buch über Menschen in Lebenskrisen

    Ist das realistisch?
    Ist was realistisch.
    Dass der Sydow so viel isst. Mein Lektor hielt seinen Packen Papier hoch, er hatte jeweils das Wort Kuchen rot eingekringelt, ich habe vier? fünf? Stück Kuchen gezählt, zwei nimmt er sich noch mit – nicht zu vergessen die zahlreichen Zopfbrote, die er vorher verdrückt hat, ich kann mir nicht vorstellen, dass Mathias –
    Frederik, sagte ich eisig. Von Sydow.
    Wir starrten uns an. Also gut, lenkte er ein, dichterische Freiheit, kritzelte er an den Rand und: Mr Stoffwechsel persönlich.
     
    Das alles hatte Stanjic natürlich verpasst. Vielleicht hatte Sydow es seiner Oma erzählt, vielleicht war es einfach nur passiert und wir können sagen, wir sind dabei gewesen. Weiter als bis zur Werkzeugtasche, wir erinnern uns, die Astronautin? Die entfleuchte Werkzeugtasche? Flog durchs Weltall, durchquerte das Sternbild der Fische. Weiter war Stanjic nicht gekommen, er war ein paar Stationen vor der Endstation ausgestiegen. Er hatte sich auf seinem Sessel zurückgelehnt, die Augen geschlossen, er hielt sich die Hand über die Stirn, da, das mit den Astronauten, da war mir noch was unklar.
    Ernsthaft? Soll ichs dir noch mal erzählen?
    Danke. Irgendwo in meinem Unterbewussten wird es sich schon festgeklammert haben, wirkt.
    Komm, Sydow faltete zufrieden die Hände über dem Bauch, gibs zu, so gut wie dein Apropos war das allemal.
    Sicher. Ich habe mich auch nur verredet. Apropos Astronauten, Blödsinn, Filme wollte ich sagen. Apropos Filme und dann kommen erst die Astronauten. Filme. Mein erster Film. Von Simon.
    Sag das doch gleich.
    Ich muss ein bisschen ausholen.
    Mit so was kann ich überhaupt nicht umgehen.
     
    Im Café ebbte alles ab. Die Gäste trollten sich wieder in ihre Büros, der Mittag war vorüber und aus der Küche kam dieses beruhigende Klappern von Geschirr, es war wie das Plaudern der Eltern vorne im Auto, wenn man in den Urlaub fuhr, das sonntägliche Gurren von den Tauben unter der Dächern, Kirchenglocken, Teppichklopfen, das Rühren eines Löffels in einer Tasse Tee aus feinstem englischen Porzellan, ein Tag wurde biedermeierlich und mild davon, Sydow streifte die Schuhe ab und legte sich auf das Sofa, schloss die Augen.
    Seine Oma wischte die Tafel mit dem Tagesmenü sauber, öffnete die Tür und begann mit einem Besen den Bürgersteig vor dem Café zu kehren. Dieser schläfrige Geruch nach Mittagessen, das Ticken der Uhr, seine Großmutter hatte hier ein Café, aber es war mehr wie ein Wohnzimmer und man sollte meinen, von einer Oma für andere Omas, aber das stimmte nicht. Omas kamen auch, aber auch ihre ganze Nachkommenschaft, das Tante fanden alle gut, es war eine Goldgrube, Feng-Shui-technisch vermutlich einfach perfekt eingerichtet, vermutete Stanjic, er interessierte sich neuerdings ausgesprochen für das Feng-Shui.
    Für das Feng-Shui, für Bachblüten und Meditation, Leute in Lebenskrisen sind so.
    Er hatte gelesen, eine hiesige Konditorei habe in ihren Filialen alles umgestellt. Sie hatten einen Feng-Shui-Techniker kommen lassen, einen wirklichen Meister, sie hatten in der Konditorei Feng-Shui-technisch alles umgestellt, alles top ein- und ausgerichtet, auf dass das Qi frei und ungezwungen umherfließen könne, auf dass das Geld in Scharen käme und es floss und es kam.
    Dreißig Prozent, sagte Stanjic, dreißig Prozent Umsatzsteigerung, Wahnsinn, oder?
    Ja, Wahnsinn, sagte Sydow, ich glaube aber nicht, dass meine Oma was davon versteht, meine Oma hats einfach gern hübsch.
    Das sind die Glückspilze unter uns, sagte Stanjic, oder die wahren Meister. Bei denen ist alles, was andere sich mühsam aneigenen müssen, intuitiv, deine Oma gehört also zu denen, die sagen: Das ist hübsch, wenn der Feng-Shui-Techniker sagt: Hier fließt das Qi.
    Es gab feine Tapeten, gestreift in Blau und Creme, man saß auf Sofas, Polsterstühlen oder Sesseln und erfreute sich an Kirschholztischen und einer dickbauchigen Standuhr aus Nussbaum.
    Ich schlaf gleich ein, gleich schlaf ich ein, murmelte Sydow, es war alles so biedermeierlich und schläfrig, der verklungene Geruch nach Polenta, Rindfleisch und Gurkensalat, der Nachhall von Kaffee und heißer Milch, das gleichförmige Kehren seiner Oma draußen vor der Tür, das

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