Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
Vom Netzwerk:
ein kleiner Snack, ein mausgleicher Appetithappen irgendwo in der Landschaft, ich war Juri Gagarin, der Genosse von drüben – von ganz weit drüben.
    Mankind hastete in Riesenschritten am Fenster vorbei und ich war der erloschene Stern, ein Planet, den keiner kennt, ich war nur ein Mann. Ich war Gagarin, irgendwo im Orbit, in einer Art Endlosschlaufe, Warteschlaufe, schaute hinaus, endlose Weiten, Schlaufen um Schlaufen.
    Ich bestellte noch einen Kaffee, Katharina las mit Interesse sämtliche Zeitungen, trank zwei riesige Gläser Karottensaft und begleitete mich anschließend zum Bahnhof, setzte mich in den Zug nach St. Gallen – dabei wollte ich da nie wieder hin! –, wo ich dann mit einem Kopf, als ruhte er in einem gut gefüllten, runden Fischglas, und absolut sinnlos vor meinem Laptop saß, das Driften der (nutzlosen) Sterne meines Bildschirmschoners betrachtete, ohne auch nur ansatzweise zu verstehen, was das zu bedeuten hatte, und eineinhalb Stunden später wieder den Zug retour nahm.

24. Schweizer Erinnerungen

    Der Tag war alt geworden, die Nacht noch jung, kroch als Abend getarnt über die Dächer, um sie dann alle mit der Dunkelheit zu überrumpeln. Anna Snozzi und Frau von Sydow hatten die Tische eingedeckt, weiße Tischwäsche, tiefe Teller und Suppenlöffel, Anna Snozzi stand hinter der Theke und schnitt Scheiben von einem riesigen Brotlaib, verteilte sie auf kleine Silberkörbchen.
    Stanjic hatte geendet und Sydow tauchte aus den Tiefen des Sofas, der Träume, er fuhr sich durch die Haare, aha, sagte er, interessante Geschichte. Das mit dem Astronauten, super, er schaute hinüber zur Tafel, Essen ist fertig, sagte er, Soljanka. Wo der Glaser bleibt, frag ich mich.
    Der ist neuerdings immer so beschäftigt, sagte Stanjic.
    Das stimmte allerdings.
    Stanjic war aus der Schweiz zurückgekommen, zugegeben reichlich bedröppelt ob der helvetischen Erfahrungen, gleichermaßen aber auch regelrecht erfrischt und, ja, hoffnungsvoll. Er war seit den kritischen Ereignissen im Österreichischen drüben in der Liebe ein scheues Reh, ein krankes Tier, mitunter dachte er blumig und bar jedes gesunden Tatendrangs an Katharina, er dachte: Werden wir uns jemals wiedersehen?
    So natürlich nicht! Junger Mann! Aber glauben Sie mir, zu diesem Zeitpunkt wäre jedwelche energische Intervention völlig umsonst und vergeblich gewesen, David hatte ein Herz wie ein Hase, nicht von Natur aus, da ging noch was, aber mangels entsprechendem Training.
    Seis drum, sie hatten in bester Laune dem Frühling und ihrem Trio gefrönt, Stanjic hatte sich eine eigene Wohnung genommen und kam in der Regel Stunden zu spät, aber was solls. Doch plötzlich und von heute auf morgen war Simon Glaser auffällig beschäftigt und Sydow und Stanjic verbrachten die Treffen zu dritt meistens zu zweit.

25. Die Nachbarin

    Anna Snozzi stellte auf jeden Tisch einen Teller mit Brot und Butter, eine silberne Menage, Sydow nahm eine Scheibe und schmierte sich Butter drauf, streute Salz darüber, beschäftigt?, fragte er, womit denn, Kunst, Neue Medien? Film?
    Keine Ahnung. Immer wenn ich ihn festnageln will, bekomme ich nebulöse Antworten. Ich glaube, er hat eine neue Nachbarin. Er ist neuerdings viel bei seiner neuen Nachbarin.
    Eine neue Nachbarin? Ernsthaft? Wieso sagst du das nicht gleich? Hübsch?
    Weiß ich doch nicht, ich sagte doch gerade, eine neue Nachbarin, die war noch nicht da, als ich bei Glaser wohnte.
    Wie aufregend, die muss ich mir ansehen. Vermutlich entscheidet sich dort mein Schicksal, ich fühls, ich spürs, da ist eine Frau und sie muss die meine werden.
    Im Grunde war das nicht so falsch. Gewiss, Frederik vermutete hinter jeder Frau sein höchstpersönliches Schicksal, zufällig traf es hier aber tatsächlich zu. Wenn auch anders, als er sich das vorgestellt hatte.
    Glaser hatte eine neue Nachbarin und damit stellte das fatum ihnen eine Weiche, und für sie alle nahm der Zug nun gehörig an Fahrt auf. Ob er zu stoppen wäre? Ob sie hätten eine Notbremse ziehen können, aussteigen und über die Felder einem anderen Horizont, einem neuen Los hätten entgegengehen können?
    Ach, wer wüsste die Fäden zu entwirren und die Fahrpläne zu durchschauen!
    Ein solcher glitte, unbehelligt und in stetem Gleichmut, durch der Moiren Netze und es wäre das Sterben nur ein sanftes Verglimmen. So aber hatte Glaser eine neue Nachbarin und ihrer aller Lebensfäden verwoben und verflochten sich immer enger, der Zug gewann an Tempo und steuerte auf

Weitere Kostenlose Bücher