Schwätzen und Schlachten
verflucht, murmelte er, kickte mit dem Fuß gegen den Ofen und steckte den Finger in den Mund. Er warf einen Blick in den Schrank, schaute sich die ganzen Gläser an, solche Mengen lassen sich mit Freundschaft auch gar nicht mehr erklären. Das ist schon eher eine Mission, missionarisches Eifern. Er klaubte den Honig heraus und öffnete den Kühlschrank. Wo ist die Butter.
Mission, so weit würde ich nun nicht gehen, Passion vielleicht, Glaser schob ihn beiseite und reichte die Butter heraus.
Eine Passion? Meinst du damit, der liebe Herr Jesus, seine ganze Leidensgeschichte, es ist eine Geschichte von mangelndem Kaffee? Interessante These. Aber sehr gewagt. Er hat keinen Kaffee bekommen und man bot ihm Tee, er fand das eine Frechheit. Er sagte: Lasst die Witze. Sie sagten, es ist noch kalter da, er sagte, lieber lass ich mich ans Kreuz nageln, sie sagten, kalter Kaffee macht schön, er sagte, zu viel macht kitschig. Hat meine Oma schon gesagt. Sie haben kurz überlegt, du hast gar keine Oma, haben sie dann gesagt. Jeder hat eine Oma, hat er gesagt. Wie heißt denn deine Oma, haben sie gefragt. Na, Oma eben, hat er gesagt. Lass die Witze, haben sie gesagt, kalter Kaffee oder gar kein Kaffee, haben sie gesagt. Lieber lass ich mich ans Kreuz nageln, hat er gesagt. Das kannst du haben, haben sie gesagt und so war das dann auch. Die Passion Christi. Eine der dunkelsten Phasen in der Geschichte des Kaffees. Daraus ist später der Gedanke der Mission entstanden, missionarisches Eifern, es dient der Verbreitung des Kaffees zur Ausrottung des Tees, Teufelszeug.
Passion, sagte Glaser, hat durchaus noch andere Bedeutungen. Leidenschaft, Liebhaberei, Steckenpferd. Ein Hobby . Ich mag einfach Tee. Willst du Käse essen? Avocado? Marmelade?
Ja. Sydow ging in den Flur und räumte den Rucksack aus, räumte ihn wieder ein. Er kam mit dem Lexikon zurück, blätterte bis zum P wie Passion, las: Überzeugung, Idealismus, Seligkeit, Aufopferung.
Was ja, Käse oder Avocado oder Marmelade?
Ja, alles. Inbrunst. Nächstenliebe. Einsatzbereitschaft . Das passt doch wie die Faust aufs Auge, Demut, Höllenqualen, der liebe Herr Jesus, er ist für seinen Kaffee durchs Feuer gegangen. Feuer , hier stehts doch, Aufwand, Entsagung , ganz genau, allein anhand der Synonyme der Passion lässt sich die ganze Geschichte Jesu und seinem Beharren auf Kaffee nacherzählen. Er hat Einsatzbereitschaft bewiesen, auf der ganzen Linie. Er hat Nächstenliebe gepredigt – gib vom Kaffee auch deinem Nächsten, er hat einen mächtigen Aufwand betrieben – die vielen Wunder, ein immenser Werbefeldzug, Entsagung ? Das kann man wohl sagen, er –
Glaser reichte ihm die Sachen heraus, schloss den Kühlschrank. Er nahm ihm das Buch aus der Hand, Privatvergnügen, las er, Sport, Freizeitbeschäftigung.
Das ist Blasphemie.
Und du, sagte Glaser, er klappte das Buch zusammen und drückte es Sydow in die Hand, du bist ein Quatschkopf.
Aber ein liebenswerter Quatschkopf.
Das sind sie alle. Er verräumte die Vorratsbehälter wieder im Schrank, ah, siehst du. Ich falle immer wieder darauf herein. Er holte die Zuckerdose hervor, hielt sie hoch und schüttelte sie ein bisschen, ich hatte versehentlich den neuen Kaffee in die Zuckerdose gefüllt, sie war zufälligerweise auch gerade leer und jedes Mal denke ich wieder, der Kaffee ist alle. Weißt du, warum das so lange dauert? Weil umlernen viel anstrengender ist als neu lernen. Eine schon vorhandene Ordnung zugunsten einer anderen aufzugeben ist für ein Gehirn viel schwieriger, als eine neu zu begründen. Darum geht zum Beispiel dieser Versuch, der an Schulen gemacht wird, völlig nach hinten los. Die Schüler lernen schreiben.
Früher lernte man es folgendermaßen, man sollte meinetwegen schreiben: Kaffee. Man schrieb: Kafe. Die Lehrerin sagte, nein, du Dummkopf, es heißt Kaffee. Man hat es ausradiert und richtig hingeschrieben. Man hat es womöglich noch einmal falsch geschrieben, zum Besipiel: Kafee. Ich fass es nicht, hat die Lehrerin gesagt, hab ich so was Dummes schon einmal erlebt, bis morgen schreibst du mir hundert Mal Kaffee. Das war mühsam. Für die Schüler, die den Schwachsinn schreiben mussten, für die arme Lehrerin, die das Gekrakel lesen musste. Darum dachten sie irgendwann: Sollen die Schüler schreiben, wies ihnen in den Sinn kommt, wir loben alles ab. Wenn sie das mit dem Schreiben prinzipiell begriffen haben, dachten die Lehrer, und die Wörter schreiben, wie sies verstehen, können wir ihnen
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