Schwätzen und Schlachten
kleine nützliche Abschweifung am Rande. Ich zupfte ein paar Blätter vom Klopapier, aha: Es ging um Boviste. Nicht unpassend. Mein Gehirn war gestern Abend wie ein Bovist, ein Stinkbovist, um genau zu sein.
Er holte sein Notizbuch hervor und schlug die richtige Seite auf. Sydow beugte sich zu ihm hinüber und sah die eingeklebten Toilettenpapierabschnitte.
Boviste wachsen bevorzugt an schattigen Wiesenrändern.
Der gemeine Stinkbovist
– den Pilzfreunden unter uns, wandte sich Stanjic vertraulich an Sydow, ist der Stinkbovist nur allzu bekannt. Die Laien wenden sich bitte Hilfe suchend an das regionale Dezernat, dort sitzt ein Herr im Schnauz und harrt begierig aller wichtigen Fragen zur Gattung der Pilze –
der gemeine Stinkbovist wächst am Waldrand, nicht minder als der wohlschmeckende Flaschenbovist.
Wegen solcher Lappalien, sagte er streng, geht man übrigens nicht ins regionale Pilzdezernat. Wenn du im regionalen Pilzdezernat aufkreuzt, um intime Interna über die große, fröhliche Familie der Boviste geflüstert zu bekommen, nimmt dich da, wenn du später dann einmal schwer vergiftet vom Pilzragout anwankst und dem Schnauzbart die Reste auf den Schreibtisch kotzt, kein Mensch mehr ernst.
Wenn du, sagte er bedächtig, nachdem du dich dort vorher schon mit törichten Fragen zu den Bovisten lächerlich gemacht hast, schwer vergiftet anwankst und dem Dezernenten auf den Tisch kotzt, schaut der gar nicht erst hoch von seinem Pilzmagazin, blättert gemütlich um und sagt: schön, sagt er dann, nach Hause gehen, sagt der dann nur, weiterkotzen.
Stanjic verschränkte die Arme vor der Brust und schaute Sydow beim Essen zu, nach Hause gehen, sagte er nachdenklich, weiterkotzen. Der Dezernent kennt da nichts. Der denkt dann, du willst ihn vergackeiern.
(David Stanjic wies mich später daraufhin, dass er besonderen Wert auf dieses spezielle Wort lege, es sei sein ganz besonderer Gruß an Österreich. Also, liebes Österreich: Vergackeiern. Mit schönem Gruß von David Stanjic.)
Der Dezernent sagt, fuhr Stanjic fort, während er im Pilzmagazin schmökert, fein, oder: prima, oder eben: schön, nach Hause gehen, weiterkotzen. Der fühlt sich völlig verarscht, verstehst du?
Gott sei Dank, sagte Sydow, während er die Teller zusammenstellte und zur Spülmaschine trug, haben wir ja unser informatives Klopapier.
Ganz recht, sagte David
Boviste sind butterzart und schmackhaft, die Boviste sind eine Pilzgattung aus der Familie der Champignonverwandten.
Die Boviste, sagte Stanjic, schneeweiß und kugelig rund mit kleinen, zarten Noppen darauf ähneln sie nicht wenig versprengten Golfbällen.
Er überlegte kurz, sehr sehr versprengten Golfbällen, fügte er unwillig hinzu. Er schaute zu, wie Anna Snozzi, Frau Sydow und Onkel Dagobert ein und aus gingen, sie füllten erneut die Schüsseln und beluden nebenher die große Spülmaschine mit dem gebrauchten Geschirr.
Er überlegte ein bisschen mehr. Spielte Rübezahl mit den anderen Bergbewohnern Golf im Geröll, könnten es unter Umständen deren sehr sehr versprengte Golfbälle sein. Sonst eher nicht.
Er betrachtete im Kochtopf verärgert sein verärgertes Spiegelbild, wenn du nun also, sagte er, herausfinden willst, ob es sich bei deinem Exemplar um einen wohlschmeckenden Flaschenbovist oder aber um einen gemeinen Stinkbovist handelt, auch, und keineswegs zu Unrecht!, als Fähenfurz bezeichnet – drauftreten. Ist er innen zart und weiß wie jungfräulicher Schnee, blendend weiß wie das Innere eines Mohrenkopfes, von keiner Sonne je beleckter Haremsdamenschenkel, kurzum, wirklich weiß, hättest du ihn essen können – tant pis! Jetzt ist es zu spät.
Quillt, natürlich nur, so er frisch ist, es ist also quasi ein Gütezeichen, quillt also eine pastöse braune Masse heraus, in Geruch und Konsistenz exakt wie Kuhscheiße – eine bemerkenswerte Koinzidenz übrigens, die dringend der Prüfung der überregionalen Dezernate bedürfte –, handelt es sich eindeutig um einen stinkenden Stinkbovist, ist der Stinkbovist hingegen schon ein paar Tage unterwegs, verpufft er unter beherzten Tritten zu trockenem, übel riechendem Staub.
Kein Wunder, dass die Zahl der Pilzfreunde immer weiter abnimmt. Kein Wunder, dass der Pilzdezernent an seinem Schreibtisch verkümmert, der Schnauz ihm in den Kaffee wächst, das Magazin schon längst eingestellt wurde und er nur immer wieder dieselben alten Nummern durchblättert und nur ab und an jemanden beim Sterben
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