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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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klebten am Fliegenpapier, verhakelten sich am Vorhang, krochen über den Wannenrand, er hatte sich – nachdem die Freundin mitsamt ihrem grabesschwarzen Schopf abgedampft war, über alle Berge gedampft, mitsamt Haaren, Haarklammern und Zahnbürste aus seinem Leben verduftet war, sich zu den sieben Zwergen verkrümelt hatte, mit denen sie, hintereinander natürlich, fröhliche Urständ feierte – er jedenfalls hatte sich – was wollte er sagen?
    Er hatte sich schon wieder völlig durcheinandergebracht, wegen der fröhlichen Urständ vermutlich.
    Sagt heutzutage kein Mensch mehr, behauptete Sydow.
    Stanjic nickte, er hatte nämlich in Wahrheit auch keinen Schimmer, was das überhaupt heißen sollte. Er jedenfalls hatte nicht gefeiert, es war ihm nicht nach Feiern zumute gewesen, er war grundsätzlich kein Partygänger.
    Er hatte sich alle naselang eines der gesammelten Haare seiner Freundin in den Bart gehängt, solange noch Haare da waren, hatte er noch eine Freundin, das war schön.
    Das hatte sich zum Beispiel darin verfangen, als sie des Nachts in seinen starken Armen lag, frühmorgens verschlafen auf seinem Schoß sitzend ihr gebuttertes Rosinenbrötchen in den Kaffee tunkte, rund um die Uhr bei ihm Schutz vor wilden Tieren und gefährlichen Automobilen suchte. Je nachdem.
    Gerne ließ er sich von anderen Leuten mit spitzen Fingern dieses eine Haar aus dem Bart ziehen, vom Pullover klauben, gerne sagte er: oha. Das muss da hängen geblieben sein, als sie des Nachts in meinen starken Armen, usw.
    Und so weiter, sagte er abschließend, heute hätt er sich gern mitsamt Zahnbürste aus seinem Leben geworfen. Jetzt mach ich in Schnüren, das ist unverfänglicher. Ich verfolge jede Schnur, enttarne jedes Gerät, ich bin der Meisterdetektiv.
    Überallhin verhießen Schnüre neue Abzweigungen, wichtige Gerätschaften, Schnüre durchzogen die gesamte Wohnung, er verfolgte die ein oder andere, Kabelsalat diverser Lampen im Wohnzimmer, ein im Weltall streunender Rechner, das sinnlose Driften von Sternen. Stanjic hatte sich aufgerichtet, kniete vor dem Schreibtisch, wovor sich so ein Bildschirm eigentlich die ganze Zeit schonen musste. Sterne in vermutlich durch und durch aperiodischen Mustern drifteten still, er schaute ihnen eine Weile dabei zu, glitt lautlos durch die unendlichen Weiten. Und da, beim leisen Flug durchs Weltall, rastete in seinem Kopf was ein.
    Katharina, sagte er zu Frederik. In Simon Glasers Wohnung roch es nach Katharina. Nach Katharina aus Zürich, nach ihrem Leib, ihrem Parfum.
    Das war das eine. Das andere war, dass ich wieder wusste, was ich hier überhaupt wollte. Den Rest vom Text. Ich sah keine Papiere herumliegen, Notenblätter, das ja, Partituren, Briefe von der Versicherung, Rechnungen. Es war, sagte er zu Sydow, ja keineswegs abwegig, den Rest des Schlachten textes in Simons Computer zu finden, immerhin war ich dort auch auf die ersten Teile des Textes gestoßen und es war keineswegs gesagt, dass Simon sich die Sachen ausdruckt, wie ich es getan habe.
    Er war aufgestanden und hatte sich in den Sessel gesetzt, tippte an die Maus, Maus, sagte er, Mausmaus! Er wartete. Du schweigst, kleine Maus? Ihr redet nicht so viel, oder? Mäuse sind klein und grübeln viel. Maus? Na, süße Maus, willst du mit mir gehen?
    Er rollerte sie herum, die Sterne verblassten zu dem nüchternen Blau, wenn der neue Tag anbricht, Passwort, Tagesparole, tja, sagte er, schwierige Frage.
    Wörter gibts wie Sand am Meer, Passwörter wie Sterne im Weltall, erdacht nach undurchschaubaren Mustern, Sterne, allesamt sinnlos, Sterne sind ja so sinnlos. Sterne sind, machen wir uns nichts vor, romantischer Schnickschnack, eine Verschwendung von Rohstoff.
    Schnickschnack, tippte er ein, der kleine Mann im Computer kniff geizig den Mund zu, raffte alles an sich und gab nichts preis, war schon klar, murmelte Stanjic, brauste ein wenig mit der Maus in ihrem Gehege herum. Dieses fordernde Blinken des Cursers, das musste einen ja nervös machen, er wurde ganz nervös.
    Maus , tippte er, natürlich nicht, Maus ist kein Passwort und die Parole von keinem einzigen Tag auf der ganzen Welt. Letzter Versuch, drohte der Computer. Letzter Versuch, das klang schrecklich, für einen sensiblen Menschen war das der emotionale Supergau, er spürte schon den Anflug von Bauchgrimmen, infernalischen Leibschmerzen, das Erlöschen der letzten verbliebenen Gehirnzellen, einsame Sporen, die durch die leeren Gänge schwebten. Sporen mit kleinen

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