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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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Krempel losgeworden war, lag der Weg frei, in den Strahlen der lieben Frau Sonne direkt auf die Erleuchtung zuzuwandeln.
    Die anderen Töpfer kamen wieder und wieder, sie staunten und wunderten sich, sahen hässliche Knödel den Besitzer wechseln, sahen, wie der gesamte, viele viele unförmige Stücke umfassende Arbeiterzyklus von ehrfürchtigen Händen und als avantgardistische Abstrakte verkannt davongetragen wurden, sie sahen den Töpfer in tiefer, spiritueller Kontemplation versinken, seine Krüge erhielten dieses gewisse metaphysische Etwas, sie sahen den Töpfer in seinem Strahlenkranz, er redete wirres Zeug von Astralleibern und seiner Mission, die wahre Gestalt aus dem Lehm zu kneten zum Lobe der Schöpfung, und, sagte er mit diesem typisch auratischen Grinsen, war nicht Gott selbst der erste große Töpfermeister gewesen? Folgten nicht sie alle, die kleinen Töpfer hienieden, in den Fußstapfen des Gewaltigen, seine Kunstfertigkeit zu erlernen?
    Sie horchten auf sein irres Gelächter, das aus der Tiefe hervorbricht, wenn man die Unendlichkeit und wunderbare Zusammengehörigkeit aller Dinge erkannt hat, und gingen nachdenklich nach Hause.
    Sie betrachteten ihre Regale voller unverkäuflicher Töpferwaren, die krummen Vasen, die schiefen Schalen, verhagelte Gugelhupfformen für Kuchen zum Fürchten.
    Wer weiß, dachten sie, und zuckten die Schultern, hilfts nix, schadets nichts, und zerrten ihre Töpferscheibe durch die Werkstatt, platzierten sie, wie sie es bei dem plötzlich wie bescheuert und geschmiert töpfernden Töpfer gesehen hatten, nach links, von der Eingangstür aus gesehen nach links.
    Es fühlte sich gut an.
     
    Das Feng-Shui sagt, Stanjics Kater verzupfte sich allmählich und er kam in Fahrt, wenn die Dinge an ihrem rechten Ort stehen, fühlt es sich sofort gut an, ein verrücktes Sofa kann dein ganzes Leben verändern, eine umplatzierte Töpferscheibe macht den Handwerker zum Meister.
    Es fühlte sich so unfassbar gut an!
    Im ganzen Land wurden die Töpferscheiben durch die Werkstätten geschleift, wanderten von überall her, aus den der Kreativität nicht geneigten Zonen nach links, von der Tür aus gesehen, immer nach links.
    Dem Westen durch Mauer und gut bewachte Grenzen verborgen, vollzog sich hier eine kreative Zeitenwende, nun erst wurde getöpfert, was das Zeug hielt, auch vorher dem Töpfern völlig Wesensfremde stellten sich plötzlich eine Töpferscheibe ins Wohnzimmer, immer nach links, von der Tür aus gesehen nach links, es fühlte sich einfach gut an.
    Zuerst als niedrige und aufregend orientalische Sitzgelegenheit missbraucht, setzten sich die Menschen irgendwann, nur mal so zum Spaß, an die Scheibe und töpferten was und siehe da, es war wunderschön, sie töpferten, als hätten sie ein Leben lang nichts anderes getan, versuchten sich erst als regimetreue Staatstöpfer mit diversen Zyklen einen Namen zu machen ( Die Schönheit der Trabanten , Kohle ist mein Diamant, u.   ä.), zogen alsdann, als aufwieglerische Avantgardisten, als aufmüpfige Querulanten verkannt, allesamt aufs Land.
    Geografisch vielleicht, nahm man das gesamte Land als Bagua, die kreative Zone?, überlegte Stanjic laut, vom großen Eingangstor in der Mauer aus gesehen ganz links?
    Was bitte für ein großes Eingangstor, rief Frederik von Sydow hellauf entsetzt, sag mal, wie stellst du dir eigentlich so eine geteilte Stadt vor, hm? Als gemütliches Gallierdorf, mit zwei verschlafenen Wikingern als Wache?
    Stanjic dachte kurz nach, so in etwa, meinte er, aber schrei nicht so, der Kater ist gerade eingeschlafen.
    Und so, fuhr er dann fort, ertöpferten sie letztendlich, so die insgeheime Überzeugung, wenn sie unvermutet in der leer gekauften Erleuchtungszone ehrfürchtig der Sonne ins Antlitz blickten, ertöpferten so letzten Endes Glasnost und Perestroika, denn steter Tropfen – oder Töpfern, wie die Töpfer wegen der Déformation professionelle leider missverstanden hatten – stetes Töpfern höhlt den Stein.
    So sind, schloss Stanjic zufrieden, die Töpfer bis heute der heimlichen Überzeugung, eigentlicher Dreh- (nicht ohne Grund heißt es ja Drehscheibe), Dreh- und Angelpunkt der Wende zu sein, und haben so letztendlich der Ignoranz, dem Banausentum des Regimes die Rechnung vorgelegt.
    Es hätte, sagen sie, auch anders kommen können, ihr hättet, sagen sie in Richtung untergetauchtem Machtapparat, der Geschichte eine ganz andere Wendung geben können, hättet ihr die Größe, die Schönheit in den

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