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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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Reise? Er selbst reiste auch sowieso nicht so gern. Seit Zürich war er überhaupt nicht mehr gereist, nach Österreich würden ihn nur noch Entführer mit Strumpfhosen und verdunkeltem Lieferwagen bringen und sonst: Die Welt war groß und er war klein, es wäre also sowieso ein eitles und narzisstisches Unterfangen, sie reisend bewältigen zu wollen, so viel Ego hatte er nicht.
    Er konnte sich vorstellen, das Ressort Reise großzügig an die Toilette abzugeben.
    Das hatte mich aus irgendeinem kruden Grund heraus interessiert, schloss Stanjic seinen Diskurs, bloß warum? Ich hatte mich schon wieder verdacht, vergeigt, hatte mich in der Toilette verirrt wie in einer Sackgasse, dabei hat jedes Klo einen Ausgang. Witzig, nicht?
    Geht so, sagte Sydow.
    Ich klappte den Klodeckel hoch, sagte Stanjic, schaute hinein, kein Duftstein, manchmal hängt Simon in sein Klo einen Duftstein.
    Ich notierte mir hinter dem fetten Buddha: kein Duftstein . Vermutlich ist das noch wichtig.
    Es bringt mich nämlich, sagte er, als er vor das Tante rollerte und die Handbremse anzog, die Anwesenheit eines Duftsteins immer in eine komplizierte Zwickmühle. Einerseits erfreue ich mich an dem wohlriechenden Duft, andererseits halte ich diese Parfümierung der Exkremente für ungeheuer obszön.

83. Immer der Nase nach

    Sie stiegen aus. Frederik von Sydow klemmte sich die Stoßstange unter den Arm und marschierte voraus ins Café. Es war Mittag, es war kein einziger Platz mehr frei und sie drängelten sich an der Servierdüse vorbei in die Küche.
    Anna Snozzi schöpfte aus einem großen Topf Suppe in die bereitstehenden Terrinen.
    Servierdüse finde ich übrigens angesichts meiner Oma etwas euphemistisch formuliert, meinte Sydow, er stellte die Stoßstange in die Ecke und holte für sich und Stanjic Suppenteller und Löffel aus dem Schrank.
    Ich habe überhaupt nichts gesagt! Stanjic nahm seinen Teller entgegen und hielt ihn Anna Snozzi hin, sie füllte ihn mit Minestrone.
     
    Stimmt, das war ich und es ist nicht nur höchst unpassend, es ist regelrecht ein Skandal. Beschweren Sie sich bitte bei meinem Verlag, der mir derartige Lapsus durchgehen lässt, beschweren Sie sich bei Olaf. Servierdüse sagt heutzutage kein Mensch mehr.
     
    Na, Anna? Sydow hobelte sich einen Berg Käse auf seine Suppe und begann zu essen, wie wärs mit uns?
    Frederik, sagte Anna Snozzi, nerv jemand anderen, ich habe zu tun.
    Sie war sichtlich gestresst, trug die gefüllten Schüsseln hinüber zur Durchreiche, Onkel Dagobert und Frau von Sydow holten sie dort ab und verteilten sie auf den Tischen.
     
    Apropos Duftstein, fuhr Stanjic ungeniert fort, die Zwickmühle ist derart kompliziert, dass es mich insgeheim juckt, mir selbst einmal einen Duftstein zuzulegen, bloß traue ich mich nicht.
    Mich interessiert das nicht, sagte Sydow, würde ich mich auch nur ansatzweise für deinen Psychokram interessiren, würde ich sagen: Du hast dich heillos in der analen Phase verheddert.
     
    Sag ichs doch, meinte mein Lektor zufrieden, hab ichs nicht gesagt?
    Jaha!
    Kikeriki, sag ich da nur, Kikeri–
    Schon gut.
     
    Du bist aber, fuhr Sydow fort, nicht in Glasers Wohnung eingedrungen, um dir über deine bekloppten Neurosen klar zu werden. Es geht um den Text. Wo ist er. Hast du ihn gefunden.
    David Stanjic klaubte die Nudeln zwischen dem Gemüse hervor und steckte sie in den Mund. Ich wollte, sagte er, gerade das Badezimmer verlassen, da überfiel mich ein Geruch. Ich erschnupperte eine Erinnerung. Es war mir, als müsse ich genau hinhorchen, es war wichtig, das spürte ich, es war ein Verbindungsglied und etwas zum Ins-Notizbuch-Schreiben. Eine angeworfene Idee oder ein Parfum? Ein verhallter Akkord, kurzes Aufbäumen, ein greller Blitz.
     
    Kennen Sie dieses Gefühl, etwas zu wissen und Sie kommen nicht ran? So erging es Stanjic.
    Manchmal ist es ein Name, mitunter ein Wort, eine Erinnerung oder eine gespeicherte Information, man spürt genau, sie geistert durch die Gehirnwindungen, man muss nur die Hand ausstrecken, sie zu greifen – schon ist sie wieder entwischt. Bei ihm war es ein Geruch. Ein Geruch in Glasers Badezimmer und doch gehörte er woandershin.
     
    Ich musste mich ablenken, sagte Stanjic, so tun, als wäre es nicht wichtig, ihm keine Beachtung schenken, dann würde es sich vorsichtig anschleichen und ich würde sehen, wie es sich seitlich in mein Gesichtsfeld schiebt, und dann würde ich es mit einem schnellen Griff packen, hochhalten, beuteln.
    Bis dahin eine

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