Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
Vom Netzwerk:
alles, was du dazu zu sagen hast?, fragte Frederik.
    Nein. Es tut mir leid.
    Sag es tausendmal, forderte Frederik. Und dann sag es noch einmal.
    Es tut mir leid. Es tut mir leid. Es tut –
    David winkte ab, was solls, dachte er, was solls. Wusstest du, dass ich immer bei der Auskunft anrufe?
    Himmel nein!, rief Simon, woher auch.
    Okay, David nickte ein bisschen, okay.
    Das wärs dann wohl, sagte Frederik munter, oder ist sonst noch was?
    Vermutlich viel, dachte David, ihm ging gerade der Kopf über, er konnte einfach nicht mehr. Vermutlich waren noch viele Fragen ungeklärt, aber heute wollte er nichts mehr geklärt kriegen und nichts gesagt, heute wollte er nichts mehr fragen und keine von diesen unmöglichen Antworten, außer vielleicht noch –
    Das Messer, sagte er zu Simon gewandt, was wolltest du mit dem Messer?
    Mit welchem –
    David war hinüber zu seiner Jacke gegangen und hatte es aus der Tasche gezogen, er legte es auf den Tisch.
    Nanu, sagte Simon, du hast das! Ich habe es schon überall gesucht!
    Hast du, aha. Und was macht man so mit einem derartigen Messer? Schächten?
    Stimmt, Simon schaute ihn verblüfft an, wie kommst du darauf? Aber, ja, das ist ein altes Schächtmesser, hat mir mal ein alter jüdischer Metzger geschenkt, mit dem ich einmal ein –
    Projekte Projekte, sagte Frederik, lass mal.
    Ah, ja. Ich dachte, ich probiers hier draußen auf dem Land mal aus, vielleicht ergibt sich mal eine Gelegenheit, im Rahmen eines –
    David winkte ab, Projektes, schon klar, alles klar, Kunst ist schön.
    Aber wo war es denn, sagte Simon, ich muss es irgendwie verlegt haben.
    Keine Ahnung, sagte David, er war schon auf dem Weg zu Katharina, er küsste sie, er liebte sie, er war auf dem Weg zur Tür, auf dem Weg hinaus, in den Flur und in die Flure und Wälder und die schöne neue Welt, nach Amerika oder gen Italien.
    Keine Ahnung, sagte er. War heute auf einmal in meiner Tasche, ich habe keinen Schimmer, wie es da reingekommen ist.

131. Der letzte Film

    Einer war tot, das war tragisch.
    Dass dieses Drama auf einen grotesken Film gebannt war, machte es nicht besser. In der Tat war die Perspektive beeindruckend, Michael Kowalski musste die Kamera im Voraus an einem Baum befestigt haben. Der letzte Film also ging so:
    Man sah fürs Erste nur einen stillen Wald, eine verschneite Lichtung. Die Bäume trugen schweren Schnee. Dann, erst von fern und immer näher kommend, hörte man ein Pfeifen, In der Halle des Bergkönigs, mal entfernte es sich wieder, dann nahte es, dann erschien Michael selbst im Bild. Er würdigte die Kamera keines Blickes, lehnte sich an einen Baum, pfiff, wartete. Dann die beiden, angetan mit knallroten Mützen, deren ungeheure Signalwirkung ihnen wohl entgangen war. Hätten sie in den Mützen jemanden überrumpeln wollen, wärs damit Essig gewesen, so viel ist sicher.
    David, wie er in Frederik hineinrannte, wie sie Michael Kowalski anstarrten, so plötzlich kam es dann eben doch ganz schön plötzlich. Das gesamte Gespräch, dieses Hin und Her, Michael und Gabriel und Raphael, dieses metaphysische Ringen, von fern das Tönen des Jagdhorns, es schien ihn aber nicht weiter zu beschäftigen. Und dann ging alles drunter und drüber, das Schwein tauchte im Gebüsch auf, Michael Kowalski wirkte verblüfft, ja, schwer überrascht, das Schwein war riesig. Ein wilder Eber mit kleinen fanatischen Augen und da hinein kriegte er die volle Ladung Obstler, als er auf Frederik zupreschte und daraufhin die Richtung wechselte und Kowalski überrannte. Ein Schuss ertönte, er musste das Schwein knapp verfehlt haben, Michael fiel getroffen, David fiel, weil er dachte, er sei getroffen, und Frederik fiel wegen seinem Schal. Das Schwein nahm die Beine in die Hand und weg war es. Es würde fortan die Wälder sorgsam umrunden, die Natur bringts einfach nicht.
    Und dann strömten ein Haufen Leute auf die Lichtung, es wurde telefoniert, irgendwann fuhr einer der Jeeps vor, dann ein Polizeiauto und zwei mit einer Krankenbahre stapften durch den Schnee, und so weiter, und so weiter.
    Die Lichtung leerte sich. Es war ein stiller Wald, es begann zu schneien. Alles war vertrampelt, das Blut schon braun und der Schnee deckte langsam alles zu. Es kam die Nacht und eine schale Dunkelheit, man hörte die Tiere des Waldes, das Knacken der Bäume, das Schleichen einer zärtlichen Dämmerung, das Grauen des Morgens.
    Irgendwann tauchte Simon auf der Lichtung auf, schaute sich um. Er untersuchte die Bäume, schaute in die

Weitere Kostenlose Bücher