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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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zusammen, ich, ach herrje –
    Das ist sehr typisch für euch, sagte Sydow, er öffnete den Schrank, in dem keine Kekse waren, schaute hinein, die Rage, dieser Furor, die Hysterie, du musst dich jetzt beruhigen. Bist du in der Küche?
    Nein, im Wohnzimmer, Frederik, es ist eilig, ich –
    Geh in die Küche und koch dir einen Tee. Einen Früchtetee.
    Ich kann nicht in die Küche gehen, das ist so ein Telefon mit Schnur, es ist hier im Wohnzimmer festgebunden.
    Richtig, der Veteran. Dann setz dich aufs Sofa. Kissen in den Nacken, schön Schuhe ausziehen und die Füße hoch –
    Mist, verdammter, ich glaube, das Ding ist hinüber, was mach ich bloß.
    So schnell gehen die Dinge nicht kaputt, ein bisschen Hinunterfallen, das kann nicht schaden. Was ist denn das für ein Gerät? Setz dich doch endlich mal in Ruhe hin, kein Wunder fallen die Sachen um, wenn du wie irre im Wohnzimmer herumrennst.
    Ich kann nicht die Füße hoch und aufs Sofa, ich glaube, das ist so ein Projektor, für – ist ja auch egal, ich wollte mit dir darüber – oh, da! Verdammt, ich muss – ich melde mich, ja?
    David?, rief Frederik, David? Bist du noch dran? Was zum Teufel – hallo? Er schüttelte den Hörer, lauschte, es war kein Freizeichen. Sydow drückte sein Ohr ganz eng an den Hörer. David hatte gar nicht aufgelegt. Es hatte ein gehöriges Gerumpel gegeben, ein Gerumpel wie von einem, der über das ein oder andere Gerät stolpert, irgendwas herunterwirft. Was denn für einen Projektor?
    Jetzt hörte er es rauschen, von einer Straße am anderen Ende der Stadt das Zwitschern von Vögeln, sie sammelten sich schon für ihren Weg in den Süden. Ein Flugzeug flog über einen Himmel, vor einem Fenster, in einer fernen Wohnung. Sydow ging mit Telefon auf den Balkon, schaute nach dem Flugzeug. Keins zu sehen, es war das andere Ende der Stadt, hier war nur ein unablässiges Mähen, noch dazu im Herbst, wozu wohnte man eigentlich in der Stadt? Er fand das unverschämt.
    Er ging wieder hinein und schloss die Balkontür, drückte die linke Hand aufs freie Ohr, konzentrierte sich. Er betrachtete die Abdrücke seiner nassen Füße auf dem Küchenboden, lauschte in den Hörer, hörte undefinierte Geräusche, Schritte. Waren es Schritte? Jemand ging in der fernen Wohnung herum, am anderen Ende der Stadt. David? Simon? Wo war David? Hatte er den Hörer einfach von sich geworfen? Er war ein Hysteriker. Da unten waren alle Hysteriker, ein Volk im Zustand permanenter Aufgewühltheit. Waren es nicht hastige Schritte gewesen, sich entfernendes Getrappel? Wo war David hingetrappelt? Und jetzt? Er lauschte, ja, einer ging herum, einer ging in Glasers Wohnung herum.
    Sydow setzte sich an den Küchentisch und lehnte sich zurück, er horchte auf dieses Schwappen und Plätschern einer anderen Wohnung, er versuchte zu überlegen.
    Draußen wurde es dunkler, schlagartig und bedrohlich schnell. Holland ging unter und der Große schickte sich an, sein Hemd aufzureißen und eine gewaltige Brust aufzutun, er legte den Kopf in den Nacken und das Brüllen machte, dass die Wolken flogen und rasten und sich düster krümmten in einem schnellen Flug über die Himmel, der Große hatte die Stirn in Falten, dass sein Gesicht sich verdüsterte, ein Grollen in der Ferne, aber es nahm Fahrt auf. Sydow schaute hinaus und hörte erste fette Tropfen, die auf die Brüstung klopften, es war ein kalter Sommer voller Regen gewesen, jetzt war es ein verregneter Herbst, er hatte im August angefangen, den Schal zu tragen von seiner Oma, und würde vermutlich bis in den nächsten Juni hinein nicht damit aufhören. Er sah den Wind in den Pflanzen wühlen und suchen und zwischen den Blättern grübeln. Der Große hob die Hand, dass ein Blitz niederging –
     
    Welcher Große eigentlich, fragte mein Lektor.
    Ich schlug die Beine übereinander und betrachtete angelegentlich meine Fingernägel, tja, sagte ich. Hättest du den Schlachten text gelesen, wüsstest du, dass es dort eine von mehreren Umschreibungen für Gott ist. Der Große, der Mann im weißen Labormantel, der Wettermacher, der –
    Olaf winkte ab, schon gut, sagte er, wenn ich noch mehr Argumente brauche, warum ich diesen Krempel nicht lesen will, meld ich mich.
    Ah ja.
     
    – ein Blitz niederging und einen Spalt machte, einen großen Riss, der Regen zog an und ging immer schneller, gleich würde er rennen, das Grollen, schon näher, das Gewitter war ein Bäumen und ein Hemdaufreißen und dass einer brüllen musste und Blitze

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