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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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du wolltest telefonieren, sein Telefon verkriecht sich immer unter dem Sofa.
    Okay.
    Sydow hatte den restlichen Schal abgewickelt und ging zurück in den Flur, hängte ihn zum Trocknen über die Garderobe. Was überhaupt für ein Projektor.
    Stanjic ging voran ins Wohnzimmer und steckte das Kabel wieder ein, ein Diaprojektor.
    Aha. Sydow betrachtete das Gerät. Das ist also ein Diaprojektor.
    Bloß sind hier keine Dias, die man mit dem Projektor projizieren könnte.
    Sydow war in der Mitte des Wohnzimmers stehen geblieben, schaute sich suchend um. Keine Dias?, sagte er, Moment mal.

55. Was vorher geschah

    Er ging hinüber zum Sessel, er wusste, wo Dias waren. Es war nämlich folgendermaßen gewesen.
    Er war zu Glaser gekommen, wann? Nicht lange her, aber es hatte abartigerweise geschneit, dicke und träge Flocken und wie von Kinderhand gemalt.
    Es war, sagte Sydow, dieser exzentrische Abend im September, an dem es geschneit hat, absurd.
    Ich erinnere mich, sagte David, ich war mit dem Auto unterwegs, ich wollte zur Probe kommen, ernsthaft, und steckte in einer Schneeverwehung fest, keine Chance.
    Unfug. Wir hatten gar keine Probe abgemacht.
    Ach so.
    Mir war, fuhr Sydow fort, als wäre Winter, dabei ging schon am nächsten Tag der Herbst ganz normal weiter, mit Altweibersommer, Frauen mit Lippen wie Beerenallerlei, irdenen Krügen, das volle Programm. Zwetschgenkuchen bei Omi.
    Aber an dem Tag war es folgendermaßen gewesen:

56. Lassen Sie die Finger von Büchern, in denen geträumt wird

    Heute Nacht, sagte Sydow, er stampfte sich mehr schlecht als recht den Schnee von den Schuhen, ging durch die geöffnete Tür an Glaser vorbei in die Wohnung, heute Nacht habe ich was Hochinteressantes geträumt. Was Globales. Es fing damit an, dass ich in einer kleinen Gesprächsrunde stand.
    Er knöpfte den Mantel auf und ging hinter Glaser her in die Küche, setzte sich an den Tisch, legte die Hände flach vor sich hin, betrachtete sie. Eine kleine Gesprächsrunde, lauter Männer mit distinguierten Krawatten und ich mittendrin. Ich war übrigens ebenfalls piekfein im Anzug, trug aber zu meinem großen Bedauern eine Snoopykrawatte. Snoopy lag darauf schlafend auf seiner Hundehütte und diese kleinen Zs seiner Schnarchgeräusche schwebten in einen babyblauen Sommerhimmel. Womöglich symbolisiert der schlafende Snoopy auf der Krawatte als phallisches Symbol im Kreise dieser smarten Typen die Angst vor der möglichen Impotenz. Würde Psycho-David sagen. Wir unterhalten uns über das Waldsterben oder Erderwärmung, irgendwas Weltweites, irgendwas global Wichtiges, Ozonloch oder Eisbären, die auf wegschmelzenden Eisschollen durchs Polarmeer driften und verhungern, so was in der Art, und –
    Kaffee? Glaser öffnete den Küchenschrank, schaute ausführlich hinein.
    Ja, ich werde auf einmal –
    Ach nein. Glaser schaute weiter in den Schrank, ist gar kein Kaffee mehr da. Tee. Früchtetee.
    Ja gern, nachdem der letzte Baum gestorben ist vielleicht. Geh rüber zu den Nachbarn. Ich werde auf einmal furchtbar müde, in meinem Traum meine ich, aber jetzt auf einmal auch gleich, wenn ich keinen Kaffee kriege, im Traum werde ich auf einmal derart müde, dass ich versuche –
    Glaser schaute noch ein bisschen in den Schrank, was aber nichts nützte.
    Vielleicht in der Zuckerdose, sagte Sydow, oder bei den Haferflocken.
    Nein, sagte Glaser, er schaute bei den Haferflocken vorbei, sie sind es wirklich. Er stellte die Haferflocken zurück, diesmal ist keiner mehr da. Im Übrigen ist der Zucker immer noch in der Kaffeedose, weil ich viel weniger Zucker als Kaffee verbrauche.
    Das heißt, sagte Sydow, du wirst jetzt vermutlich bis in alle Ewigkeiten den Kaffee in die Zuckerdose füllen müssen.
    Sieht ganz so aus.
    Soll ich zur Nachbarin gehen, Sydow stand auf. Ich könnte ihr sagen, ich bräuchte Kaffee. Ich bin ein leidenschaftlicher Kaffeetrinker, könnte ich sagen, ich bin ein leidenschaftlicher Mann. Passion , könnte ich sagen, ich habe eine Passion als Kaffeetrinker und ich habe eine als Mann, Leid und Leidenschaft , ich –
    Vergiss es einfach, sagte Glaser, er klappte die Schranktür wieder zu, ging in den Flur und zog sich eine Strickjacke über. Er kam zurück und nahm eine Tasse vom Abtropfgestell, trocknete sie ab, willst du nicht mal den Mantel ausziehen?
    Sydow zog den Mantel aus, sag ihr, ich bin voller Vorfreud e, sie endlich kennenzulernen. Passion in jeder Variante, Vorfreude, Gier , aber erschreck sie nicht. Sag ihr noch

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