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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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vermutlich unter anderem Dank der Diaprojektoren, bloß wie sahen sie aus? Wie Radarkontrollgeräte? Er wusste alles über die ferne, wilde und schöne Serengeti und nichts über die naheliegendsten technischen Meisterwerke menschlichen Schaffens.
    Er öffnete ein paar Schränke, es gab interessante Dinge, aber kein Radarkontrollgerät. Aber was heißt schon interessant. Es waren einfach Dinge, was so herumliegt in Schränken und Schubladen, was sich so verbirgt in fremden Kästen, auf den ersten Blick sah es immer Wunder weiß wie interessant aus, aber es waren einfach nur Dinge.
    Er nahm eines davon heraus, ein zusammengerolltes Plakat, er knebelte das Gummiband herunter und streckte es, legte es auf den Fußboden, beschwerte die Ecken mit vier von den Bildbänden.
    Schwer zu sagen.
    Er ging einmal darum herum, entschied sich für die Waagrechte und kniete sich darüber. Ein Geleise mit leichter Steigung führte quer übers Blatt und endete an einem Fernrohr, man konnte hindurchschauen. Es war ein Kunstplakat. Die Kunst war, dass man durch das irgendwie applizierte Fernrohr sozusagen ins Innere des Plakats schauen konnte, man konnte, wenn man nah genug dran heranging, einen Blick durch das kleine Fernrohr tun. Sydow stand auf und schaltete das Deckenlicht ein, kniete sich wieder hin und beugte sich nah über das Plakat, kniff das rechte Auge zu und schaute durch das Fernrohr.
    Er schaute eine ganze Weile hindurch, als würde die Erklärung gleich hinterhergeliefert. Er hatte sich wieder aufgerichtet und saß auf dem Boden, die Beine ausgestreckt. Oben hatte das Gepolter aufgehört, der Friede nach dem Eintauchen in eine gefüllte Wanne, ab und zu dieses merkwürdig ziehende Geräusch des Herumrutschens auf dem Wannengrund, dann war es wieder still.
     
    Und was, Olaf wurde jetzt zickig, was genau steht da?
    Das kommt auf Seite –
    Jetzt sollst du es hinschreiben!
    Nein!
    Ein lieber Leser, fing er klagend an, muss doch –
    Ein lieber Leser, fiel ich ihm erbost ins Wort, kann meinethalber vorblättern auf Seite 595, da steht es.
    Steht was.
    Oha , steht da, man kann, wenn man durch das Fernrohr schaut – erschrocken hielt ich mir die Hand vor den Mund, wieder reingefallen, dieser Lektor ist ein ganz ausgekochter Hund, ein ganz ausgekochter.
    Oha , schrieb er an den Seitenrand, so ein Schwachsinn, sagte er zufrieden vor sich hin.
    Es ist ein Kunstplakat, sagte ich zur Verteidigung.
    Das ist nun also diese berühmte Kunst, murmelte er.
     
    Er sammelte die Bildbände ein und das Plakat rollte sich zusammen, er ließ den Gummiring drum herumschnappen und verräumte es in der Schublade, stöberte noch ein bisschen, nahm dies und das in die Hand, legte es wieder weg. Er hätte sich gerne die Dias angeschaut, aber da war kein Projektor. Dias mussten auch, soweit er sich erinnerte, um mit einem Projektor angeschaut zu werden, in kleinen Platikhülsen stecken, in einer Art Schablone. Dies hier waren nur diese Streifen, wie man sie früher zu den entwickelten Fotos dazubekommen hatte.
    Er ging wieder in die Küche, draußen dämmerte es und der Schnee fiel ohne Unterlass.
    Er öffnete den Küchenschrank und schaute sich den Früchtetee an, nichts für ungut, sagte er, deine Zeit wird kommen. Das Waldsterben schreitet eilig voran, die Bäume rennen schon um ihr Leben. Erst wenn der letzte Schnee geschmolzen, der letzte Lebkuchen gefressen und der letzte Waschbär sich selbst gevögelt hat, werden wir wissen, dass man Kaffee nicht trinken kann. Bis dahin sind deine Chancen gleich null. Zumindest in der Getränkebranche. Versuchs doch als Konfetti.
    Er hörte den Schlüssel im Schloss und stellte den Tee zurück, alles alles Gute noch, sagte er, war ein netter Versuch, aber so lange ich noch alle Tassen im Schrank habe, bist du für mich ein Faschingsspaß. Oder ein Badezusatz. Glaser kam mit der Tasse voll Kaffeepulver wieder zurück.
    Es war einfach nur ein Beispiel, sagte Sydow, er setzte sich wieder hin, verschränkte die Arme, verstehst du? Und wo warst du überhaupt so lange, musstet ihr bei der Nachbarin auch den Früchtetee beruhigen?
    Nein. Glaser stellte die Tasse auf den Tisch und zog die Jacke aus, warf sie über den Stuhl. Er füllte die Kanne mit Wasser, stopfte was von dem Pulver ins Sieb und schraubte das Oberteil drauf, stellte sie auf den heißen Küchenherd. Er öffnete die Ofentür, schaute hinein, legte zwei Holzscheite nach und pustete vorsichtig in die Glut, wartete, bis sie sich um das Holz herum

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