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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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was für deine Figur zu tun, gibts keine Lebkuchen mehr. Filine, überlegte er, eigentlich ein schöner Name für eine Schwimmnudel. Ich würde mir in der Filiale die Filine holen gehen. Bisschen Wassergymnasik. Dann klappts auch wieder mit den Lebkuchen, da bin ich ganz sicher. Der Nikolaus sieht alles, schreibt alles auf. In sein großes goldenes Nikolausbuch.
    Er zerteilte fünf Pflaumen, schob die Kerne zusammen und ging zum Mülleimer
    Schmeiß sie ins Feuer, Glaser schenkte Kaffee in die Tassen und öffnete die Ofentür, Sydow warf die Kerne hinein. Glaser legte noch zwei Scheite Holz nach und schloss die Klappe, also ich finds hier herinnen nicht zu kalt, du müsstest ja schon kochen unter dem ganzen Schal, oder sind das mehrere? Vielleicht wirst du krank? Er ging in den Flur und kam mit einem Scheuertuch zurück, wischte die Lache auf dem Boden auf, wischte um Sydows Stiefel herum und hängte das Tuch an die Herdstange. Womöglich brütest du irgendwas aus. Grippe. Angina. Er setzte sich zu ihm an den Tisch, du siehst wirklich nicht gesund aus. Dieser hochrote Kopf, er langte über den Tisch und befühlte Sydows Stirn, wenn das mal keine Grippe –
    Lass mal, Sydow schüttelte seine Hand ab, das ist keine Grippe, das ist nur wegen dem Schal. Du hast keinen Schimmer, was da drunter los ist.
    Unter dem Schal bereitet sich eine Explosion vor, das ist los, was anderes kann ich mir gar nicht vorstellen. Wenn ein Dampfkochtopf wie irgendwas anderes aussehen würde als ein Dampfkochtopf, dann sicher so wie du. Oder meine Küchenhexe, wenn ich ununterbrochen Holz nachlegen würde und meine Küchenhexe würde wie was anderes aussehen als meine Küchenhexe. Oder eine –
    Ich glaube, ich habe das Prinzip verstanden.
    Zieh doch den Schal aus.
    Nein. Liegt auch nicht am Schal. Wär ja Quatsch. Der Schal kann da überhaupt nichts dafür.
    Na ja. Sieht aber auch nicht so aus, als könne er was dagegen.
    Kann schon sein. Ist einfach nur ein Schal.
    Oder drei oder vier.
    Das ist das einzige Problem mit diesem Schal. Sonst ists ein prima Schal.
    Wie gehts eigentlich deiner Oma.
    Gut gehts meiner Oma.
    Wie läuft der Laden?
    Gut läuft der Laden.
    Strickt sie noch ab und an?
    Ja. Gerade an einer Mütze. Kannst dann auch mit drunterkommen.
    Aha.
    Im Übrigen könntest du meine Oma auch mal wieder persönlich inspizieren.
    Ja.
    Wo steckst du denn die ganze Zeit.
    Hab viel zu tun.
    Im Grunewald?
    Wieso im Grunewald. Ich muss ein paar Filme fertigkriegen, und auch sonst.
    Was auch sonst.
    Einfach viel zu tun.
    Im Grunewald.
    Meinetwegen im Grunewald, wenns dich freut.
    Nein, es freut mich kein bisschen, ich frage mich, was du im Grunewald immer so Interessantes zu tun hast.
    Blumen pflücken vielleicht.
    Bist du verliebt.
    Kann gut sein.
    In wen denn, wieso weiß ich das nicht, in deine neue Nachbarin?
    War ein Witz.
    Ach so.
    Sie tranken Kaffee, schauten aus dem Fenster, es schneite und schneite, es schneit und schneit, sagte Sydow, es schneit einfach immer weiter. So einen Herbst habe ich überhaupt noch nie erlebt. Vermutlich wird der Winter ein Desaster, war ja letztes Jahr schon schlimm. Ungeheuerliche Verspätungen bei den Zügen, ungeheuerlicher Verbrauch an Enteisern für den Flugverkehr, ungeheurer Schwund kostbarsten Salinenguts. Seit letzten Winter sammle ich die Bilder aus den Zeitungen, wo immer ein bedrückter Experte mit schlimmen Vorahnungen neben bedenklich kleinen Streusalzbergen steht, die Wählerschaft warnt, wovor genau, weiß ich nicht. Ich hab schon eine ganze Menge, ich hoffe, dieser Winter wird wieder so ein Erfolg, schnee- und expertentechnisch. Das sind sozusagen die Paninibildchen für Große.
    Du hast Hobbys.
    Na ja, Hobby. Er stellte sich ans Fenster, langsam kam die Dämmerung, ein zärtliches Zwielicht und unablässiger Schnee. Hier heraußen denkt man, dass die Erde sich nicht erwärmt und das Ozonloch nicht größer wird, dass kein Wald sterben und kein Eisbär verhungern muss.
    Das täuscht. Hier heraußen gehts dem Wald sogar besonders schlecht. Der Wald verfault von innen, und weißt du, warum?
    Nein.
    Weil es Eichen sind. Hier wachsen viele Eichen. Eichen mögen keine feuchten Böden. Hier waren ganz früher mal feuchte Böden. Dann sind die Böden nicht mehr feucht gewesen. Die Eichen sind gekommen, haben sich gedacht, hier ist es schön, hier will ich stehn. Ist schon lange her. Die mochten die schön trockenen Böden. Dann hat sich irgendwer gedacht, hier war doch mal ein Auwald, also muss

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