Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
Vom Netzwerk:
nicht auf, ich rede ganz besonnen über dumme Bücher. Handlung wird durch Träume kein bisschen weitergebracht, ich möchte sagen: im Gegenteil. Träume halten Handlung nur auf. Hat uns mein Traum vielleicht irgendwie weitergebracht? Nein.
    Ich habe deinen Traum verpasst, sagte Glaser bedauernd.
    Das macht gar nichts, er hätte dich auf keinen Fall weitergebracht. Weil man an diesen sinnlosen Träumen herumgrübeln muss, was einen sofort in eine völlig ausweglose Situation bringt, weil der Traum ist natürlich ein ausgedachter und kein geträumter Traum, insofern ist ihm auch durch Nachdenken nicht beizukommen. Wäre es etwas, was sich durch Nachdenken bewältigen ließe, müsste es sich nicht als Traum ausgeben. Es könnte einfach so als nachvollziehbare Handlung dastehen. Nein, es ist ein ausgedachter Traum, der sich scheinbar traumartiger Mittel und Logiken bedient, was nicht geht, weil man sie nicht denken kann. Verstehst du?
    Nein. Eigentlich nein. Ich verstehe so manches nicht. Warum du über Bücher reden musst, wenn Bücher dich so aufregen. Warum du deinen Schal nicht ausziehst. Ich verstehe Träume auch nicht. Ich verstehe sowieso nichts, was man nicht denken kann. Ich verstehe nicht, wieso du Neue Deutsche Literatur studierst, wo dich doch Bücher so aufregen. Ich verstehe eine Reihe von Dingen überhaupt nicht. Wieso riesige Wasserlachen auf meinem Küchenfußboden sind. Hat es irgendwie mit der zukünftigen Wassergymnastik zu tun? Wieso die Erde sich erwärmt. Wohin ein hungriger Eisbär fährt auf seiner kleinen Eisscholle. Wassergymnastik. Wann ich eigentlich auf einmal in das Alter gekommen bin, in dem Vorsorge plötzlich die halbe Miete sein soll. Träume, ich verstehe sie auch nicht.
    Träume, erklärte Sydow weiter, fallen einem nicht ein. Sie fallen einem zu, oder man fällt in sie hinein oder auf sie herein, ich weiß es nicht, aber einfallen tun sie einem mit Sicherheit nicht. Es ist die Dummheit unbegabter Autoren mit unbegabten Figuren in dummen Büchern, die mit Träumen sich irgendwohin manövrieren wollen, wohin sie mit sauberen Mitteln nie kommen würden. Man sollte Bücher, in denen geträumt wird, immer sofort wieder zuklappen, weiterblättern allein reicht nicht, einem, der es in seinen Büchern träumen lässt, sollte man generell aus dem Weg gehen.
    Ja.
    Ist es nicht so?
    Doch.
     
    Ich vermute mal, das soll ein Seitenhieb auf mich sein, immerhin erwähne ich später seinen düsteren Traum, in dem er mit Sigmund Freud und Gustav Jung –
    Weißt du, sagte mein Lektor, wenn du hier schon alles verraten willst, kannst du auch gleich die Schlusspointe hinschreiben. Er nahm seine Tasche und war schon wieder auf dem Weg zum wartenden Taxi. Manchmal, sagte er im Abgang, manchmal befürchte ich, dir mangelt es an jedem Gefühl für Spannungsaufbau.
    Ich schaute ihm nach. Er war auf dem Weg zu wichtigen Autoren. Autoren mit mehr Gefühl.
     
    Der Kaffee kochte hoch, sie lauschten auf das Brodeln. Glaser stand auf, ging um die Wasserlache herum und schob die Kanne an den Rand des Herdes, sie spuckte noch ein bisschen und beruhigte sich dann. Er trocknete weitere Tassen ab, holte Milch aus dem Kühlschrank.
    Du warst so lange weg, Sydow wühlte noch ein bisschen im Nikolausteller, war was mit der Nachbarin?
    Keine Ahnung.
    Ach so. Er wühlte die Nüsse zur Seite, sortierte Äpfel und Pflaumen aus, wo sind die anderen Lebkuchen.
    Welche anderen Lebkuchen.
    Die der Nikolaus sonst noch gebracht hat.
    Da waren nicht noch andere Lebkuchen, sagte Glaser, der Nikolaus hat nicht sonst noch welche gebracht. Was überhaupt für ein Nikolaus, es ist September. Nervenkekse waren da, in der Dose sind noch welche, nach Hildegard.
    Der Nikolaus hat dir nur so wenige Lebkuchen gebracht? Warst du nicht brav.
    Da waren doch ganz viele Lebkuchen – ach was, Nervenkekse. Glaser stellte die Kaffeetassen hin, schüttete den Tellerinhalt auf den Tisch, breitete die Nüsse aus, wo sind die denn alle.
    Kein einziger war da, Sydow strich mit den Händen über die ganzen Nüsse. Das ist ganz schlecht, dass dir der Nikolaus gar keine Lebkuchen gebracht hat, ganz schlechtes Zeichen.
    Okay.
    Du solltest das als Aufforderung sehen, im nächsten Jahr ein wenig braver zu sein.
    Ist gut.
    Vielleicht ein bisschen Wassergymnastik. Sydow hielt den leeren Teller unter den Tisch und schaufelte die Nüsse und so weiter über den Rand. Vielleicht dachte der Nikolaus, solange du in deinem Alter nicht langsam anfängst, ein bisschen

Weitere Kostenlose Bücher