Schwätzen und Schlachten
Löchern drin, wir könnten total unauffällig –
Wenn du vorher einparkst, kannst du dir aus den Zeitungen auch einen Hut basteln und rufen, hier bin ich , wenn du einparkst, hat sich das mit dem Beschatten. Du lässt den Wagen jetzt einfach in der zweiten Spur stehen und wir gehen zu Fuß –
Den Wagen, aha, wir haben also neuerdings –
Jaja.
64. Der längste freie Fall eines Österreichers
David, bist du das?
Ja, am Apparat, David Stanjic klemmte sein Mobiltelefon ans Ohr und band seine Schnürsenkel neu zusammen, sie gingen ständig auf.
Hör mal, du musst unbedingt kommen, flüsterte Sydow.
Warum flüsterst du denn.
Ich flüstere doch gar nicht, flüsterte Sydow, ich versuche nur, hier nicht weiter aufzufallen.
Wo bist du denn.
In Glasers Wohnung, du musst sofort –
Was? Wo bist du?
Das heißt wie bitte, sagte Frederik, jetzt in normaler Lautstärke, und ich bin in Simons Wohnung, wo denn sonst, ich denke, wir sind ihm auf der Spur.
Du kannst nicht in Simons Wohnung sein, rief Stanjic, er war aufgestanden und sammelte seine Siebensachen ein, Zeitungen, Butterbrotpaket und Thermoskanne, er war super ausgerüstet.
Natürlich kann ich das, ich bin hier schon seit um zehn.
Das ist doch nicht möglich, rief Stanjic, er kroch unter die Bank und tastete nach dem Ressort mit der Deutsch-Französischen Freundschaft , da war ein interessanter Artikel über – ach egal jetzt, er krabbelte wieder hervor, ich sitze hier seit dem frühen Morgen, rief er, niemand kann hier ein und aus gehen, ohne dass ich ihn beobachte.
Wo sitzt du?
Na vor Simons Haus!, rief David Stanjic, auf der Bank! Seit heute früh!
Stanjic hatte heute einen astreinen Beschattungsjob geleistet, die Haustür keine Sekunde aus den Augen gelassen. Postboten, Nachbarn, Paketdienste, wer auch immer Glasers Haus betrat oder verließ, wurde von ihm erfasst und nebst der genauen Uhrzeit seines Auftritts in seinem Notizbuch protokolliert. Er las eine Zeitung mit ausgestanzten Löchern, damit ihm nichts entging, er konnte sich Tee einschenken, ohne hinzusehen, mitunter rief er bei der Auskunft an und hörte Grieg, verfolgte das bedauerliche Schicksal des Peer Gynt, den Blick immer fest auf seinem Objekt.
Gegen zwölf hatte sich jemand zu ihm auf die Bank gesetzt und versucht, ihn in ein krudes Gespräch zu verwickeln, aber so leicht brachte man ihn nicht zu Fall, er hatte ihn kaltblütig abgewimmelt.
Der Mann hatte sich hingesetzt, Stanjic warf ihm einen flüchtigen Blick zu, er trug eine Sonnenbrille und schaute ihn an.
Als Mensch, sagte er zu David Stanjic, und als Österreicher hat Felix Baumgartner der Wissenschaft einen großen Dienst erwiesen.
Wer ist Felix Baumgartner, sagte Stanjic unwillig, den Blick unverdrossen auf sein Haus gerichtet.
Er sprang aus 39 Kilometer Höhe auf die Erde. Jetzt weiß man, sagte der Fremde, dass Österreicher einen Sturz aus 39 Kilometer Höhe überleben können. Der Hersteller eines grotesk teuren Zuckerwassers hat alles finanziert, sonst wäre es nicht durchführbar gewesen. Auch das ist eine wichtige Erkenntnis für die Wissenschaft. Der Sprung dauerte knapp neun Minuten und hat mehr Daten hervorgebracht als die Mondlandung.
Ach so, sagte Stanjic, ohne den Kopf zu wenden, bei dem Wort Mondlandung ploppte sofort die Uetliberg-Episode in seinem Gehirn auf, ihm war unbehaglich. Was sollte das?
Die Sprünge dort, informierte ihn der Mann, waren auch verhältnismäßig kurz und sahen nicht so gut aus. Darüber hinaus ist es den Astronauten leider nicht gelungen, vom Mond auf die Erde zu hüpfen. Kurzum, es war dieser Sprung von Felix Baumgartner der längste freie Fall eines Österreichers.
David Stanjic warf ihm einen weiteren raschen Blick zu, der Mann schaute ihn durch seine getönten Gläser unverwandt an. Er war groß, schlank und dunkelhaarig und flüchtig hatte er den Eindruck, er sei ihm schon mal irgendwo begegnet. Stanjic fand jedenfalls, diese Geschichte klang wie eine der spannenden Informationen auf Simons Toilettenpapier.
Klingt, sagte er, um einen leichten Tonfall bemüht, während er den Blick wieder stur geradeaus richtete, als hätten Sie das auf einem Klopapier gelesen.
Der Mann schwieg kurz, dann beugte er sich zu Stanjic hinüber und sagte leise, kann sein. Aber vergiss es nicht. Der längste freie Fall. Eines Österreichers.
Immerhin, sagte Stanjic laut, hat er überlebt. Österreicher fallen immer auf die Füße.
Wegen dem Zuckerwasserhersteller, erwiderte der Mann. Es
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