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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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war der längste freie Fall eines Österreichers auf Kosten eines Zuckerwasserherstellers. Sonst wäre der Österreicher tot.
    Gewiss, sagte Stanjic abschließend, er wollte den Typen jetzt möglichst schnell von der Backe haben, es war sicher ein Verrückter, weiß Gott, was ihm als Nächstes einfiel. Berlin war voller Irrer, die einen mit ihren Wahnideen drangsalierten.
    Der Mann war aufgestanden und schaute auf ihn hinab. Ohne Zuckerwasserhersteller stirbt man leicht. Als Österreicher. Im freien Fall, wiederholte er.
    Dann ging er die Straße entlang davon.
    Stanjic wandte den Kopf vom Haus und schaute ihm nach, er ging ganz gemächlich, die Hände in den Hosentaschen schlenderte er davon, bog in die nächste Seitenstraße und war verschwunden.
    Er lehnte sich erleichtert zurück, checkte kurz die Lage, alles war ruhig, Glasers Haus hatte sich nicht von der Stelle bewegt. Den Berlinern schlug die Großstadt aufs Gehirn und aufs Gemüt, dann quälten sie sich mit solchen schwermütigen Vorstellungen und fühlten sich noch dazu berufen, harmlose Bürger damit zu belasten, Stanjic war froh, ihn derart nonchalant abgewimmelt zu haben.
     
    Ich finde, mein Lektor hatte sich mir gegenüber auf den Caféstuhl fallen lassen, packte seine Unterlagen aus und orderte ein alkoholfreies Bier, ich finde, du solltest hier einen Hinweis geben.
    Und was ist mit dem Spannungsbogen?
    Ach was, das tut doch dem keinen Abbruch, du schreibst einfach: Schlagartig fiel es Stanjic wie Schuppen von den Augen und ein wissendes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Es war der Mann aus dem –
    Klingt super, sagte ich. Warum schreibst dus das nächste Mal nicht gleich selbst.
    Er schlürfte den Schaum von seinem Bier, vielleicht, sagte er verträumt, vielleicht mach ich das sogar. Ist weniger umständlich, verstehst du?
    Ich verstehe, sagte ich. Ich war eben erst aufgestanden und schon wieder total erschöpft.
     
    Ich sehe alles und jeden!, rief Stanjic seinem Freund durchs Telefon hinweg zu, niemand ist seit heute früh hier rein oder raus, ohne dass ich es protokolliert habe. Er schaute hinüber zu Glasers Haus, Sydow stand jetzt am Fenster, hatte die Flügel geöffnet und winkte ihm zu, den Telefonhörer ans Ohr geklemmt, er aß ein Joghurt.
    Und?, fragte er zwischen zwei Bissen durchs Telefon, ist was vorgefallen?
    Nein, nichts. Nachbarn, Postboten, Paketdienste und ein armer Irrer bei mir auf der Bank. Simon hat nicht einmal das Haus verlassen, ich frage mich wirklich, was er die ganze Zeit treibt.
    Hör mal, Simon kam Punkt zwei nach Hause –
    Was? Ich meine wie bitte? Von woher denn?
    Vom Einkaufen, Sydow oben am Fenster hielt den Joghurtbecher hoch, er hat meine Lieblingsjoghurts gekauft.
    Welche sind das.
    Kastanie. Gibts nur im Herbst.
    Sind noch mehr da?
    Eine ganze Batterie.
    Ob das was zu bedeuten hat?
    Bestimmt. Nämlich dass er gerne Kastanienjoghurt isst.
    Vermutlich. Ich schreibs mal auf, kann noch wichtig sein. Und sonst?
    Dann ist er wieder gegangen.
    Das kann einfach nicht sein, ich habe mich hier nicht eine Sekunde wegbewegt, nicht einmal aufs Klo, ich habe mir schon überlegt, ob ich mir so einen Beutel zulegen soll, einen Urinbeutel zum Umhängen –
    Das ist ja widerlich, ich glaube nicht, dass je ein Detektiv einen Urinbeutel um den Hals hängen hatte.
    Ich kanns mir auch nur schwer vorstellen, aber denkst du, ich hätte irgendwo einen Hinweis darüber gefunden, wie sie diese delikate Angelegenheit während stundenlanger Beschattungen lösen? Nichts, in keinem einzigen Buch, kein Wort davon.
    Das ist, weil du die falschen Bücher liest, sag ich doch.
    Kann schon sein, aber welche sind die richtigen?
    Ich weiß es nicht, vielleicht steht so etwas auch nicht in Büchern, vielleicht passiert es einfach nur und nie ist einer dabei, der mitschreibt. Es bräuchte ja, technisch gesehen, einen Beschatter des Beschatters, man müsste einem Detektiv einen Detektiven an die Fersen heften und es wäre immerhin denkbar, dass justament immer in dem Moment, in dem der Beschattete auf ungeahnte Art und Weise diese diffizile Aufgabe löst, Zweiterer gerade auf dem Klo ist. Oder, Sydow hatte das Joghurt weggestellt und beugte sich weit aus dem Fenster, spähte zu Stanjic hinüber, oder sich gerade die Schuhe zubindet. Machst du das öfter?
    Ungefähr alle fünf Minuten, Stanjic richtete sich auf, das sind die zermürbendsten Schuhe, die ich je hatte. Es ist nicht einmal so, dass sich die Bänder ob des vielen Herumgehens

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