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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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alles um die Ohren fliegt, sagte Sydow, er blätterte wieder durch die Zeitung und las einen Artikel über einen –
    Tu nicht so dumm, seine Oma nahm ihm die Zeitung weg. Um die Ohren fliegt, du fliegst gleich hier raus, dass dir nur so die Ohren schlackern, Holz hacken solltet ihr auch. Hast du gehört? Holz hacken, wenn ihr draußen seid, es soll ein strenger Winter werden und es haben sich jetzt schon so viele Sydows für Weihnachten angemeldet, wie ich gar nicht wusste, dass ich Verwandte habe.
    Hast du auch nicht, das sind alles Betrüger, glaub mir. Und woher willst du wissen, dass es ein strenger Winter wird.
    Das haben sie in der Zeitung gesagt.
    Hat wer gesagt. In dieser Zeitung? Mach dich nicht lächerlich. Das sind doch nur französische Falschmeldungen, um das freundschaftliche Klima wieder ein bisschen in Wallung zu bringen. Das machen sie, um in der nächsten Ausgabe großherzig anzukündigen, dass das französische Volk geschlossen Socken strickt, Carepakete für den deutschen Winter, das ist fake , Omi, glaub mir.
    Keine Franzosen, die Franzosen haben sich zum kommenden Winter noch nicht geäußert. Dieser Schweizer Wetterschmöcker hat das gesagt, sagte Frau Sydow, während sie das Geschirr einsammelte und Stanjic das Butterbrot wegnahm. Plauze!, sag ich nur, rief sie, Plauze!
    Das sagt heute kein Mensch mehr, sagte Sydow.
    Sag ich doch, sagte Stanjic.
    Wenn Sie erst die Plauze haben, reden Sie von nichts anderem mehr, sagte Frau Sydow, das wollen wir uns doch ersparen. Dieses Gejaule schmerbäuchiger Männer ist entsetzlich, gerade eben, auch so ein Kandidat. Das war einmal ein ranker, gut aussehender Dichter, sicher, die Gedichte waren grässlich –
    Wie auch nicht, sagte Frederik, sind ja Gedichte.
    – aber man konnte sich immerhin seiner Rankheit erfreuen, an seinem guten Aussehen. Jetzt sitzt er da, in hängendem Schnauz und platzendem Schnürlsamt und sagt: Ich weiß nicht, Auguste, woher diese Plauze kommt, ich esse kaum, ich trinke nicht, es ist mir ein Rätsel. Dabei hängen ihm die Kuchenkrümel noch im Schnauz, die Nudeln vom Mittag.
    Er hat nicht gesagt Plauze, das sagt heute niemand mehr, sagte Frederik.
    Gemeint hat er es. Er hat gesagt, woher dieser Bauch kommt, und ich habe gesagt, das sei kein Bauch mehr, das ist eine Plauze.
    Also gut. Und was hast du ihm geraten?
    Er soll den Schnauz abnehmen.
    Aha. Und das hilft.
    Sicher. Mit Schnauz und Plauze sieht er aus wie ein Walross, er hat von sich das innere Bild von einem Walross, kein Wunder nimmt er nicht ab.
    Das innere Bild, seit wann redest du so, bist du in der Krise? Hast du mit David einen Literaturzirkel?
    Unsinn. Das innere Bild ist ein Fakt, kein esoterisches Tandaradei.
    In meinem Literaturzirkel lesen wir kein esoterisches Tandaradei, sagte Stanjic beleidigt.
    Du hast gar keinen Literaturzirkel, sagte Sydow.
    Wenn ich einen hätte.
    Ja, Konjunktiv.
    Gibt einem immer wieder einen Hinweis auf eine schönere Welt, vielleicht sollte ich einen Literaturzirkel gründen.
    Nein, sagte Sydow. Solltest du nicht.
    Dann eben nicht.
    Herrgott!, rief Frau Sydow entnervt, man sagt ja gern, das sei heutzutage so eine diskursive Generation, wenn ich das schon höre, diskursiv, danke schön, ihr kabbelt euch einfach ständig, wie die kleinen Kinder. Diskursiv! Schwachsinn! Ihr würdets alle zu was bringen in Job und Familie, wenn ihr euch den Diskurs einmal an den Hut stecken würdet.
    Ja, Omi, sagte ihr Enkel. Du hast recht. Wir werden uns mal darüber unterhalten.
    Ihr seid furchtbar, eine Plage. Wo war ich.
    Du hast gerade erzählt, dass deine französischen Freundinnen schon Socken stricken, gegen den deutschen Winter.
    Genau, die Schweizer Wetterschmöcker, sagte Frau von Sydow. Sie beobachten die Zeichen der Natur und sagen dann mit 80-prozentiger Sicherheit das Wetter voraus. Gestern hat er gesagt – er heißt übrigens Hans-Ueli Hänggi-Spörri, lustig, oder, diese Schweizer?
    Geht so, sagte Sydow.
    Ich finde das sehr lustig, sagte Stanjic.
    Ja eben.
    Herr Hänggi-Spörri sagt, es gibt einen schneereichen und bitterkalten Winter, weil der Specht schon zu Mittag welk ist und die Pestwurz unregelmäßig klopft.
    Bringst du da nicht was durcheinander, Omi?
    Nein. Zudem haben die Kühe am Dienstag bei schönem Wetter gehustet, das bedeutet, dass es am 20. November schneit, und das ist schon bald.
    Wie klingt denn das, wenn Kühe bei schönem Wetter husten, Sydow holte sich das Butterbrot von ihrem Tellerstapel zurück und aß es

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