Schwätzen und Schlachten
mit dem fruchtigen Früchtetee, Stanjic hatte die letzte Kartoffel verhobelt und rieb eine dicke Schicht Bergkäse darüber.
Glaser sagte etwas, was? Stanjic schaute auf, klopfte sich den Käse von den Händen.
Das heißt –
Wie bitte?
Ich sagte, der Besuch, manchmal trinkt der Besuch einen Kaffee.
Welcher Besuch.
Verschiedener.
Die Nachbarin?
Glaser nahm ihm die Auflaufform weg und schüttete einen Becher Sahne darüber, ja, die auch.
Findest du nicht, es wäre langsam an der Zeit, sie uns –
Nein. Finde ich nicht.
Und warum nicht?
Einfach so.
Simon?
Ja?
Ist alles in Ordnung bei dir?
Ja sicher, was sollte nicht in Ordnung sein.
Stanjic ging zur Spüle und begann, Geschirr abzuwaschen, dann wusch er den Salat. Er überlegte. War es an der Zeit, Simon mal so ganz konkret anzusprechen, auf die, nun ja, Bedenken? Verdachte? Oder hieß es Verdächte. Simon, könnte er bedächtig sagen, wir haben da so ein paar Verdächte. Das klang unmöglich, sowohl grundsätzlich als auch onomatopoetisch, es konnte also keinesfalls richtig sein.
Ich habe einfach gerade viel zu tun, sagte Glaser. Er schob das Gratin in den Ofen, stocherte in der Glut herum und legte noch ein paar Holzscheite nach.
Kunst, Neue Medien? Stanjic bemühte sich um einen fachmännisch interessierten Tonfall, er nahm den gewaschenen Salat und das Gemüse mit zurück an den Tisch und Glaser setzte sich ihm gegenüber, begann ebenfalls, Karotten und Gurken klein zu schneiden.
Filme, es gibt gerade einen großen Auftrag, ich bin praktisch Tag und Nacht unterwegs.
Einen Großauftrag? Feiern die Türken Jubiläum, irgendein wichtiges türkisches Fest? Vielleicht den Ramadan?
Wieso Türken, was haben denn die Türken mit meinen Filmen zu tun. Und der Ramadan ist schon längst wieder vorbei. Wo wohnst du eigentlich, um dich ist Klein-Istanbul und du fragst im Herbst, ob der Ramadan langsam losgeht.
Ah ja, sagte mein Lektor, er zückte seinen Stift, ich nehme also an, David Stanjic wohnt in Kreuzberg.
Stimmt, sagte ich griesgrämig.
Und wo da genau?
Und was, rief ich, wenn ihm dann fortan die Leute auflauern?
Unsere Leser tun so was nicht. Also:
Dieffenbachstraße, murmelte ich, er schaute mich auffordernd an, 36, fügte ich unwillig hinzu.
Prima. Und Simon Glaser, wenn wir schon dabei sind?
Bismarckallee, Nummer sage ich nicht.
Er wollte schon protestieren, na was solls, sagte er dann, ich werds schon rausfinden.
Wirst du nicht.
Wetten?
Ich würde das, wenn ich du wäre, fuhr Glaser fort, in deinem Wohnumfeld nicht allzu laut tun, das ist ungefähr so, wie wenn ich bei euch in die Kirche komme und den Weihwasserkessel am Eingang als Einladung nehme, mich zu erfrischen. Das kommt nicht gut an, das eine wie das andere, glaub mir. Nein, wenn ich die Sachen jetzt so verkauft kriege, wie sich das abzeichnet, bin ich richtig im Geschäft.
Im Geschäft? Stanjic wunderte sich. Heißt das, diese Sachen, also die Filme meine ich, werden dann wirklich in richtigen Geschäften verkauft? Bei Saturn?
Saturn, im Kunstgeschäft natürlich, wo denkst du hin.
Und um was für Beträge geht es da? Paar Hundert? Paar Tausend?
Glaser warf einen Schlag Karottenscheiben in die Schüssel, er lachte, ein paar viele Tausend, ja.
Das gab Stanjic zu denken. Hatte er Glaser unterschätzt? Die Kunst, die Neuen Medien? Nahm er das alles viel zu wenig ernst? Und was willst du damit machen?, fragte er, willst du uns auf eine Weltreise einladen. Möchtest du mir etwas Schönes schenken.
Ein Haus kaufen.
Ein Haus? Stanjic hatte schon den Mund aufgemacht, etwas Passendes zu erwidern, aber dazu fiel ihm verblüffenderweise gar nichts mehr ein, ein Haus?, sagte er verwundert, wozu denn?
Um darin zu wohnen, wozu sonst.
Ein Mensch allein braucht doch kein Haus.
Vielleicht möchte Filine ja mitkommen, vielleicht ziehe ich dorthin mit meiner Frau.
Stanjic schwieg. Wäre Simon nun Frederik gewesen, hätte er naturgemäß sagen können, nein, müssen: Frederik, hätte er sagen müssen, du hast gar keine Frau. Seltsamerweise war das bei Simon, wiewohl er ebenfalls keine Frau hatte, nicht angebracht. Stanjic hatte urplötzlich das sichere Gefühl, dass Simon, so er sich entschließen würde, in die Filiale von der Versicherung zu gehen, um sich seine Filine abzuholen, hernach mit einer Filine nach Hause gehen würde und, ja, nicht nur nach Hause, er würde mit ihr in ihr gemeinsames Haus gehen, Bäume pflanzen, Kinder ernten und abends durchs Wohnzimmer
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