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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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Straßen. Stanjic summte unverdrossen etwas, das erschreckend nach der griienen Kusine klang, es war ein Ohrwurm. Auch die Mame war ein Ohrwurm, allesamt, Onkel und Tant, tutto la famiglia gehörte zur Gattung der Ohrwürmer, Volksmusik hätte das so an sich, sie schlüpfen in die Ohren und kriechen vor bis ins Hirn und besetzen das Musikzentrum, das zumindest war Sydows düstere Prognose. Aber Stanjic konnte ihn beruhigen, es gibt kein Musikzentrum, sagte er.
    Dann errichten sie eins, sagte Sydow.
    Gut möglich, räumte Stanjic ein.
     
    Es war kalt und ungastlich und kein probates Wetter, um nächtens umherzuspazieren, und Sydow fragte sich, wo in aller Welt David sein Auto abgestellt hatte und auch, ob er es zehn Straßen weiter geparkt habe, damit Glaser nicht zufällig darauf stoße und Verdacht schöpfe, so er zufällig im Quartier umherstreife. Auf dem Weg zum Rugelach -Kauf.
    Nein, sagte Stanjic, während er sich bemühte, die Orientierung zu wahren, dort war eine Parklücke, in die ich hineingekommen bin. Was sollte Glaser auch für einen Verdacht schöpfen, wir arbeiten dermaßen unauffällig, er würde mein Auto, so er darauf träfe, nicht einmal als das Meinige ausmachen, so wenig vermutete er es hier, Glaser hat keinen Verdacht, er fühlt sich völlig sicher. Heißt es eigentlich im Plural Verdachte? Verdächte?
    Verdachtungen, was denn sonst. Bloß dass man niemals mehr als einen Verdacht gleichzeitig haben kann, es würde einem das Gehirn sprengen, insofern ist es irrelevant, sowohl grammatikalisch als auch realiter.
    Parklücke ist gut, sagte er dann, als sie auf den leeren Parkplatz bei Bolle kamen. Stanjics Auto stand als Einziges inmitten des riesigen Areals. Aber ich bin mir absolut sicher, dass du es auch unter solchen Umständen noch hinkriegst, deinem Auto irgendwelche Dellen beizubringen.
    Zu Mittag sah es hier noch ganz anders aus, behauptete Stanjic, da brauchte es wirkliches Fingerspitzengefühl.
    Da bin ich mir ganz sicher.
    Sie fuhren durch die Stadt, es war kaum noch Verkehr. Sydow wickelte sich den Schal vom Hals. Sie fuhren lange durch die Stadt und er sagte irgendwann, ich habe Neuigkeiten.
    Ich bin ganz Ohr.
    In deinem Ohr sitzt Familie Wurm und musiziert, trötet und geigt.
    Nur im Musikzentrum, wenn du also davon absiehst, deine Neuigkeiten zu singen, ist alles in Butter.
    Also gut, sagte Sydow, er warf den Schal nach hinten auf den Rücksitz und klappte das Handschuhfach auf, entnahm ihm eine unangebrochene Tafel Ritter Sport und begann, Schokolade zu essen.
     
    Ich sehe schon die kritisch gelüpfte Augenbraue meines Lektors, bei allem Respekt für Mathias Verdauung, würde er anheben, aber –
    Er, Frederik von Sydow!, konnte, Gratin, Salat und ungezählten Röllchen zum Trotz, immer Schokolade essen, es war ein Wunder.
     
    Ich werde, sagte er kauend, chronologisch vorgehen, also damit beginnen, wie ich heute in Simons Wohnung komme, er war nicht da, sagte ich ja bereits. Ich hatte mir gestern überlegt, ich sollte mir peu à peu seine Filme ansehen. Ich glaube, anhand der Filme werden wir die Nuss knacken.
    Ich habe mir seine Filme angesehen, sagte Stanjic, während er in einen Kreisel fuhr und eine Runde drehte, habe ich irgendwas geknackt? Die Filme sind kein Nussknacker, das ist alles, was ich herausgefunden habe. Bin ich dadurch klüger geworden?
    Keineswegs.
    Eben. Stanjic drehte noch eine weitere Runde, also weiter, sagte er, welche hast du gesehen.
    Na ja, ich dachte, die, die du schon angesehen hast, brauche ich nicht mehr durchzugehen, sie waren ja daran zu erkennen, dass sie beschriftet waren.
    Gute Idee von mir, oder?
    Supertolle Idee, ich würde es patentieren lassen, da steckt eine Menge Geld drin. Jedenfalls blieben dann immer noch gut zwei Drittel ungesichtetes Material und ich habe mir noch ein paar angeschaut. Ganz unsortiert sind sie übrigens nicht, es stehen die Daten der Entstehung darauf und ich habe mich auf zwei bestimmte Schaffensphasen konzentriert. Die eine fiel zufälligerweise in die Zeit, in der du in Zürich weiltest.
    Warum?
    Rein zufällig.
    Es gibt keine Zufälle.
    Sagt wer.
    Der gemeine Österreicher.
    Dann wirds wohl so sein. Man kann dem Österreicher an sich ja vieles nachsagen, aber lügen tut er nicht, viel zu aufwendig und wozu auch, wo schon seine Wahrheit immer dermaßen unwahrscheinlich anmutet, lohnt sich nicht. Ich habe mir mit voller Absicht die Filme ausgesucht, aus der Zeit, da du in Zürich weiltest.
    Warum?
    Intuition.
    David

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