Schwanenlied: Der fünfte Fall für Katrin Sandmann (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
erstickt. Und natürlich war Katrin auch neugierig auf das andere Haus, den alten Hof, den Manfred geerbt hatte. Welche Schätze er wohl hüten mochte? Tagebücher, Fotos, Briefe? Alte Kommoden und Schränke, die Geschichten erzählen konnten von den Menschen, die einmal ihre Besitztümer darin aufbewahrt hatten? Katrin liebte alte Möbel, hatte selbst einige in ihrer Wohnung stehen. Ihr absolutes Lieblingsstück war der Schaukelstuhl vom Trödelmarkt, den sie selbst restauriert hatte.
Nachdem klar war, dass sie tatsächlich für ein paar Tage in die Eifel fahren würden, hatte Katrin sich in die Arbeit gestürzt. Während Manfred seinen Urlaub verlängerte, ein Hotelzimmer buchte und einen Termin mit dem Notar vereinbarte, verbrachte Katrin den Dienstagabend und den ganzen Mittwoch damit, einige kleinere Aufträge fertigzustellen. Es ging um private Feiern, Hochzeiten, runde Geburtstage und Taufen, für die sie als offizielle Fotografin engagiert worden war. Nichts Aufregendes, doch die Bezahlung war ordentlich. Einen größeren Kunden, einen Verlag, der auf Fotos für einen Reiseführer wartete, vertröstete sie auf die kommende Woche. Sie war ohnehin früh dran, denn das Buch sollte erst im folgenden Jahr erscheinen. Gestern Abend hatte sie ihren Kater Rupert zu ihrer Freundin Roberta gebracht, deren drei Kinder sich sofort darum gestritten hatten, wer ihn als Erstes füttern durfte. Es war halb elf gewesen, als sie nach Hause zurückkehrte. Um ihre angespannten Muskeln zu entkrampfen, hatte sie sich ein Bad eingelassen und es sich mit einem Kriminalroman und einem Becher Kräutertee in der Wanne bequem gemacht.
Als sie eine Stunde später in ein Handtuch gewickelt ins Wohnzimmer getapst war, hatte Manfred mit einer Flasche Champagner auf sie gewartet. »Wir sollten wenigstens anstoßen auf unser Erbe, findest du nicht?«
Leider hatte seine Feierlaune die Nacht nicht überlebt. Als sie vorhin aufgebrochen waren, hatte er finster vor sich hin gestarrt.
»Nun komm schon«, hatte Katrin gesagt. »Es gibt Schlimmeres, als ein Haus zu erben.«
Er hatte das Gesicht verzogen. »Da bin ich nicht so sicher.«
Das Hotel schmiegte sich an den Hang oberhalb der Durchgangsstraße in Blankenheim, einem Städtchen, das einige Kilometer von Manfreds Heimatdorf Winscheid entfernt lag. Es war ein altmodisches, aber freundlich eingerichtetes Haus. Das Zimmer bot einen Blick über das ganze Tal und den gegenüberliegenden Berg samt Burganlage. Und es hatte sogar einen Schreibtisch. Katrin packte ihren Laptop aus dem Rucksack und stellte ihn auf.
»Ich dachte, du wärst gestern mit der Arbeit fertig geworden?«, fragte Manfred.
»Stimmt. Aber vielleicht kann ich doch schon die Bilder für den Verlag aussuchen, während du andere Sachen machst.«
»Was für andere Sachen? Ich hatte angenommen, du begleitest mich.«
Katrin lächelte ihn an. »Natürlich. Aber bestimmt nicht überallhin. Mit dem Notar sprichst du doch sicherlich allein, oder?«
Manfred zuckte die Achseln. »Kann sein.« Er fuhr fort, seine Reisetasche auszupacken. Viel enthielt sie nicht. Dabei würden sie mindestens vier Tage bleiben müssen, denn vorhin hatte Manfreds Mutter angerufen und ihnen mitgeteilt, dass die Beerdigung von Freitag auf Montag verschoben werden musste. Offenbar hatte es bei der Terminabsprache ein Missverständnis gegeben.
Katrin öffnete das Fenster und blickte hinaus. In dem Moment rasten unten auf der Straße zwei Motorräder vorbei und verschwanden lärmend hinter der Biegung. »Du lieber Himmel«, sagte sie, »hier ist es ja lauter als in Düsseldorf.«
»Die B 258 ist so etwas wie der inoffizielle Nürburgring. Für Biker zumindest«, erklärte Manfred.
»Ach wirklich?« Katrin schob das Fenster zu. »Heißt das, man hat hier ständig diesen Lärm?« Sie schüttelte den Kopf. »Und dafür wohnt man dann auf dem Land.«
Manfred hob die Schultern. »Lass ihnen doch ihren Spaß.«
»Aber nicht auf meine Kosten.« Katrin machte sich ebenfalls ans Auspacken. Im Gegensatz zu Manfred hatte sie einen Koffer dabei. Sie wollte auf alles vorbereitet sein. »Fahren wir gleich mal nach Winscheid?«, fragte sie, während sie das Kostüm in den Schrank hängte, das sie für die Beerdigung mitgebracht hatte. Es war dunkelgrau, und sie hoffte, dass es angemessen war. Sie trug es manchmal zusammen mit einer bordeauxroten Bluse und schwarzen Stiefeln, wenn sie wichtige Kunden besuchte.
»Nach Winscheid? Was sollen wir da?«
»Na was wohl?«
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