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Schwanenlied: Der fünfte Fall für Katrin Sandmann (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Schwanenlied: Der fünfte Fall für Katrin Sandmann (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Titel: Schwanenlied: Der fünfte Fall für Katrin Sandmann (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Klewe
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angeblich hier irgendwo«, murmelte er und tastete hinter der Regentonne den Boden ab.
    Katrin betrachtete den Schuppen, der im rechten Winkel zum Haus stand. Von Nahem sah er ziemlich baufällig aus. Das Holz hatte seit Jahrzehnten keine Farbe mehr gesehen, das einzige Fenster zierte ein fein gewirktes Spinnennetz. Die Tür hing schief in den Angeln und war nur angelehnt. Hinter dem Spalt gähnte undurchdringliche Finsternis. Vage meinte Katrin, die Konturen eines Fahrzeugs zu erkennen, eines hölzernen Leiterwagens vielleicht, doch sie war nicht sicher. Plötzlich fuhr eine Windböe über den Hof, die Tür geriet in Bewegung, der Spalt vergrößerte sich, als würde der Schuppen sein Maul aufsperren. Katrin schnappte erschrocken nach Luft, ein Schwindel erfasste sie, ihr Magen krampfte sich zusammen. Scheiße! Sie taumelte auf die Hauswand zu und stützte sich an der Fensterbank ab.
    Manfred erhob sich, den Schlüssel in der Hand. Als er Katrin erblickte, erstarrte er. »Was ist los? Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.«
    »Ich – ich weiß auch nicht«, stammelte Katrin. »Mir ist ganz plötzlich schwindelig geworden. »Liegt bestimmt am Wetter. Es ist furchtbar schwül heute.«
    »Du hast recht.« Manfred nahm sie in den Arm. »Da kommt bestimmt noch ein Gewitter.« Er küsste sie sanft auf die Nasenspitze. »Und ich dachte schon, du hättest den Dämon gesehen.«
    Er wandte sich ab, um die Tür aufzuschließen.
    Katrin stieß erleichtert Luft aus. Langsam ließ der Schwindel nach. Doch das flaue Gefühl im Magen blieb. Sie glaubte nicht, dass das Wetter ihr zu schaffen machte. In letzter Zeit war ihr mehrmals aus heiterem Himmel schwindelig geworden, völlig unabhängig davon, ob es regnete oder die Sonne schien. Und ihr Magen spielte seit einigen Tagen verrückt. Außerdem war sie seit fast einer Woche überfällig. Noch kein Grund zur Panik, denn ihre Monatsblutung kam immer ein wenig unregelmäßig. Zusammen mit den Schwindelanfällen allerdings machte ihr das Angst. Sie wollte nicht daran denken, was es bedeuten konnte. Bestimmt war es blinder Alarm, und in ein paar Tagen lachte sie darüber.
    Manfred zog die Tür auf und sah sie an. »Bereit?«
    Sie trat zu ihm und stemmte die Hände in die Hüften. »Bereit. Lass uns auf Dämonenjagd gehen.«

    *

    Sie hatte lang nicht mehr an ihn gedacht. Viele Jahre nicht. Warum hätte sie auch an ihn denken sollen? Er war nichts weiter als ein Schatten auf ihrer Vergangenheit. Ein dunkler, hässlicher Fleck auf ihrer Biographie, ein Fleck, von dem niemand sonst etwas wusste, und den sie fast vergessen hatte. Nur manchmal, wenn sie eine Patientin untersuchte, wenn sie an einem Spielplatz vorbeikam oder im Restaurant am Nachbartisch eine Familie saß, dann spürte sie unvermittelt einen diffusen Schmerz im Unterleib, so schwach, dass sie ihn kaum wahrnahm. Etwas zog da, eine Sehnsucht oder vielmehr das Echo einer Sehnsucht, die sie längst begraben hatte. Nein, er war es gewesen, er hatte diese Sehnsucht begraben, hatte ein tiefes Loch geschaufelt und sie für immer in der dunklen Erde verscharrt, tief im Wald, an einem heißen Sommertag vor fast vierzig Jahren. So lang war es her, dass es ihr unwirklich erschien, sich anfühlte wie die Erinnerung einer fremden Person.
    Aber heute waren ihre Gedanken unvermittelt zu ihm gewandert, zu seiner imposanten, muskulösen Gestalt, den verträumten blauen Augen, die sie voller Leidenschaft angesehen hatten. Schuld daran war Gitta, die Frau, die seit ihrer Kindheit vergeblich um ihre Freundschaft buhlte, die das Leben führte, vor dem sie selbst davongelaufen war. Gitta hatte sie angerufen und ihr erzählt, dass Marius Grauweiler gestorben war. Was bildete sie sich ein? Dass das irgendeine Bedeutung für sie hatte? Dass sie auf Nachrichten aus der Vergangenheit Wert legte? Sie lebte seit einer Ewigkeit in Köln, was in der Eifel geschah, interessierte sie längst nicht mehr. Es hatte nichts mit ihrem Leben zu tun, und sie wollte nichts davon wissen. Sie wollte nicht an damals erinnert werden. Nicht an irgendwelche albernen Geistergeschichten, die ihr als Kind Angst eingeflößt hatten, nicht an ihn, und schon gar nicht an die andere Sache. Sie presste die Lippen zusammen, drängte die Bilder weg, die tief aus ihrem Inneren in ihr Bewusstsein drängten.
    Abrupt wandte sie sich vom Anblick der belebten Straße unter ihr ab und warf einen raschen Blick auf die Uhr. Kurz nach drei. Zeit, die Patientin hereinzurufen.

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