Schwanenlied: Der fünfte Fall für Katrin Sandmann (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
Petra Klamm verabredet.« Sie erzählt May, wer Petra war.
May nickte. »Ich habe eine ganze Weile gebraucht, um sie zu beruhigen. Erst als ich ihr erklärte, wie viele Tage sie schon im Krankenhaus liegt, hat sie begriffen.«
»Kann sie sich an den Unfall erinnern?«
May hob die Schultern. »Sie erinnert sich, dass sie einen Spaziergang gemacht hat. Und an das Motorengeräusch hinter ihr. Mehr weiß sie nicht.«
»Schade.« Manfred lehnte sich zurück. »Aber es war kaum zu erwarten, dass sie den Fahrer gesehen hat.«
»Sie hat noch von einer anderen Frau gesprochen. Wie hieß die noch gleich?« May runzelte konzentriert die Stirn. »Es war ein kurzer Name. »Kate? Nein. Ann? Anna!«
»Anna Henk?«, fragte Manfred.
»Ja. Sagt dir der Name etwas?«
»Eine alte Frau aus Kestenbach.«
»Rose meinte, dass sie etwas verheimlicht. Sie hat darauf bestanden, dass ich mit ihr rede. Vielleicht könntet ihr das ja übernehmen? Ich glaube, ihr würdet Rose damit einen Gefallen tun. Womöglich kennt diese Anna Henk wirklich die Wahrheit.«
Katrin warf Manfred einen kurzen Blick zu. »Das würden wir gern machen. Wir haben es sogar schon versucht. Aber es geht nicht. Anna Henk ist verschwunden.«
May schlug die Hand vor den Mund. »Oh, mein Gott! Seit wann denn?«
»Seit gestern Abend«, antwortete Katrin. »Sie muss das Haus überstürzt verlassen haben. Leider haben wir keine Ahnung, wohin sie wollte.«
»Oder wovor sie weggelaufen ist«, ergänzte Manfred.
»Das ist ja furchtbar!«, rief May.
»Wir hatten auch das Gefühl, dass sie etwas weiß«, sagte Katrin. »Leider sieht es so aus, als wären wir nicht die Einzigen.«
»Es könnte natürlich sein, dass ihr Verschwinden nichts mit den Ereignissen der Vergangenheit zu tun hat. Oder mit dem Anschlag auf Rose. Die alte Frau gilt als verwirrt«, gab Manfred zu bedenken. »Möglich, dass sie im Lauf des Tages wieder auftaucht und es eine ganz harmlose Erklärung für ihre Abwesenheit gibt.«
»Aber es ist auch möglich, dass der gleiche Mann, der meine Nichte beinahe umgebracht hat, nun hinter dieser alten Frau her ist?«, fragte May.
Manfred senkte den Kopf. »Es wäre möglich, ja.«
Katrin erhob sich. »Aus diesem Grund sollten wir jetzt sofort wieder nach Kestenbach fahren und nach ihr suchen.«
Sie verabschiedeten sich von May und versprachen, am Nachmittag wiederzukommen.
Als sie schon vor den Aufzügen standen, trat May noch einmal zu ihnen. »Da ist noch etwas«, sagte sie. »Vermutlich sehe ich Gespenster. Aber …«
»Was denn?«, fragte Katrin sanft. »Erzähl es uns. Alles könnte wichtig sein.«
»Gestern Nachmittag bin ich in die Cafeteria hinuntergelaufen, um eine Kleinigkeit zu essen. Auf der Treppe stieß ich mit einem Mann zusammen. Er starrte mich vollkommen entsetzt an, als hätte er einen Geist gesehen, dann rannte er weiter.«
»Hat er etwas gesagt?«
May schüttelte den Kopf. »Kein Wort. Mich hat die Begegnung so verunsichert, dass ich nur schnell einen Kaffee trank und sofort wieder zu Rose nach oben fuhr.«
»Und?«, fragte Manfred.
»Es war alles in Ordnung. Ich sprach mit dem Polizisten vor dem Zimmer. Dem war der Mann auch aufgefallen, weil er in den Gang kam, stockte, und gleich wieder kehrtmachte. Der Polizist nahm an, er hätte sich im Stockwerk geirrt. Aber es könnte natürlich auch eine andere Erklärung für sein merkwürdiges Verhalten geben.«
»Der Kerl wollte zu Rose, und der Polizist vor der Tür hat ihn abgeschreckt«, sagte Katrin und kniff die Lippen zusammen. »Wie sah er aus?«
May schloss kurz die Augen. »Groß, mindestens einen Kopf größer als ich. Schlank. Sehr elegant gekleidet, er trug ein Hemd und ein Jackett, glaube ich. Graue, nein – wie sagt man? – grau melierte Haare. Mehr weiß ich nicht. Es ging ja so schnell.«
Die Sonne schien, als sie in Kestenbach aus dem Wagen stiegen, doch ein kühler Wind wehte und blies Wolkenfetzen über den Himmel. Katrin schaute die Straße auf und ab. Alles sah normal aus, doch irgendetwas lag in der Luft. Sie spürte es. »Wie vor einem Gewitter«, murmelte sie.
Manfred trat neben sie. »Was hast du gesagt?«
»Ich sagte: Wie vor einem Gewitter. Alles ist ruhig, aber die Katastrophe wirft bereits ihre Schatten voraus.«
»Wie melodramatisch.«
»Spürst du es nicht?«
Er sah sie an. »Ich mache mir Sorgen um Anna Henk, falls du das meinst. Da ist was faul. Und wenn die Polizei nichts unternehmen will, dann müssen wir das eben tun.«
»Das sehe ich
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