Schwanenlied: Der fünfte Fall für Katrin Sandmann (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
lebte? Und wem er heute gehört?«
»Keine Ahnung.« Manfred knallte die Wagentür zu. »Glaubst du, das ist wichtig?«
»Ich weiß nicht«, gab Katrin zu.
Sie gingen auf das Haus zu. Katrin spähte durch das Küchenfenster. Der Abwasch stand noch genau so da wie am Abend zuvor, das Becken war noch immer voller Wasser. Sie ging zur Haustür und drückte auf die Klingel. Ein schriller Laut gellte durch das Haus. Nichts geschah. Sie klingelte noch einmal.
Manfred ging derweil einmal ums Haus und warf einen Blick durch alle Fenster. »Wenn sie irgendwo liegt«, sagte er, nachdem er seine Runde beendet hatte, »dann nicht im Erdgeschoss.«
Katrin warf ihm einen Blick zu. »Na wunderbar.« Sie bückte sich, um nachzusehen, ob unter der Fußmatte ein Zweitschlüssel lag. Nichts. Sie untersuchte die Blumentöpfe auf der Fensterbank und neben der Tür. Wieder nichts.
Manfred half ihr, sie nahmen alles unter die Lupe, sogar die Mülltonne neben dem Haus, doch sie fanden nichts.
Schließlich griff Katrin in den Briefkasten, der am Gartenzaun hing, und wurde fündig. Sie schloss auf und betrat das stille Haus. »Frau Henk?«, rief sie. »Frau Henk? Hören Sie mich?«
Manfred folgte ihr und zog die Tür zu. Während Katrin das Erdgeschoss und den Keller absuchte, lief er in die obere Etage. Sie fanden nichts außer penibel aufgeräumten Zimmern und dem Becken mit dem kalten Spülwasser in der Küche.
»War das Bett benutzt?«, fragte Katrin, als Manfred wieder herunterkam.
Er schüttelte den Kopf. »Jetzt mache ich mir, ehrlich gesagt, auch Sorgen. Wir sollten die Nachbarn fragen, womöglich wissen die, was los ist. Kann doch sein, dass sie plötzlich ins Krankenhaus musste.«
»Stimmt.« An diese Möglichkeit hatte Katrin nicht gedacht. Sie blickte auf ihre Uhr. »Zehn vor sieben. Ein bisschen früh am Sonntagmorgen, fürchte ich, um die Nachbarn aus dem Bett zu klingeln.«
Manfred schüttelte den Kopf. »Das ist ein Notfall. Wir können ja bei dem Hof am Ortseingang anfangen. Die haben Vieh und sind auf jeden Fall schon auf den Beinen.«
Sie gingen zu Fuß durch das Dorf und fragten überall nach. Zu Katrins Überraschung waren die meisten Einwohner tatsächlich schon wach. Nur wenige Türen wurden nicht geöffnet. Doch niemand wusste, was mit Anna Henk los war. Niemand hatte etwas von einem überstürzten Aufbruch mitbekommen. Eine Nachbarin hatte Anna Henk am Vorabend noch beobachtet, während sie im Garten die Wäsche abnahm. Die alte Frau sei die Straße entlanggelaufen, mit sehr zielstrebigen Schritten, als habe sie etwas Bestimmtes vor. Leider hatte die Frau nicht gesehen, wohin Anna ging.
Schließlich standen sie wieder vor dem leeren Haus.
Katrin zog ihr Handy hervor. »Ich rufe jetzt die Polizei«, sagte sie entschlossen. »Hier stimmt etwas nicht, ich habe Angst, dass Anna Henk in Gefahr ist.«
*
Manfred schnitt sein Brötchen auf. »Du hast recht, es sind Dorfbullen«, stellte er grimmig fest. Sie hatten die Polizei gerufen und vor Anna Henks Haustür auf die Beamten gewartet. Nach einer halben Stunde war endlich ein Streifenwagen in Kestenbach aufgetaucht, in dem Günther Rau gesessen hatte, der alte Polizist, den sie bereits kennengelernt hatten, und ein fremder Kollege, der sich nicht die Mühe gemacht hatte, sich vorzustellen. Die beiden hatten sich die Geschichte angehört, ein paar Mal vergeblich geklingelt, durchs Fenster gespäht und mit den beiden unmittelbaren Nachbarn von Anna Henk gesprochen. Danach hatten sie erklärt, dass im Augenblick kein Handlungsbedarf vorliege, und waren wieder davongebraust. Arrogante Arschlöcher.
»Ich fürchte, in Düsseldorf wäre die Polizei nicht anders damit umgegangen«, sagte Katrin und griff nach ihrer Kaffeetasse. »Es gibt halt keine Anhaltspunkte für ein Verbrechen oder dafür, dass Anna Henk irgendwie gefährdet ist. Ein halb beendeter Abwasch reicht da wohl nicht.«
»Trotzdem idiotisch. Die Nachbarn haben schließlich bestätigt, dass es völlig untypisch für Anna Henk ist, einfach so zu verschwinden.« Energisch schmierte er Butter auf sein Brötchen.
»Aber sie haben auch gesagt, dass sie ein bisschen merkwürdig ist.« Katrin seufzte und nahm einen Schluck Kaffee. »Und dass sie manchmal wirres Zeug redet und irrationale Dinge tut.«
»Das war natürlich kontraproduktiv«, gab Manfred zu. »Andererseits hätte das auch ein Anlass sein können, nach der Frau zu suchen. Wenn sie nicht zurechnungsfähig ist, könnte sie sich selbst oder
Weitere Kostenlose Bücher