Schwanentanz
sie das Gefühl, er würde Fangfragen stellen? Misstrauen zerrte an ihren Nerven wie ein Rottweiler an Ketten. „Das ist keine grundsätzliche Sache, damit wir uns richtig verstehen. Aber hier und jetzt, da Sie nett gefragt haben, dürfen Sie reinkommen, ja.“
Er senkte den Kopf und versuchte, sein Schmunzeln zu verbergen. Bevor er ihr ins Haus folgte, trat er sich sorgfältig die Schuhe ab. Als er den angelaufenen Spiegel in der Diele passierte, wurde er langsamer, strich sich die Haare aus dem Gesicht und betrachtete sein Spiegelbild mit Skepsis. Dann wandte er den Kopf ab, kam ihr in die Küche nach und sah sich neugierig um.
Verdammt, wer hatte ihm nur die Bezeichnung ‚alter Alec’ verpasst? Er hatte ungefähr ihr Alter, Mitte bis Ende zwanzig, und wenn er diesen Zottelvorhang aus dem Gesicht nahm, kamen dahinter schrägstehende grüne Augen zum Vorschein, bei deren Anblick Drew Fuller sich seine vor Neid rotgeheult hätte. Der Dreitagebart wirkte wie für ein Fotoshooting arrangiert. Unter seinem Hemd, bei dem die oberen Knöpfe offen standen, blitzte eine Tätowierung hervor, die sich nicht ganz erkennen ließ.
„Ich habe mir gerade Kaffee gemacht, möchten Sie auch einen?“ Sie griff bereits nach einer zweiten Tasse.
„Nein danke, besser nicht. Aber wenn Sie …“
Er zögerte und sie fühlte sich von seinem plötzlich unsicheren Gesichtsausdruck auf seltsame Weise irritiert. Er sah aus, als würde er sich schämen. „Was denn?“
„Ihr Brot riecht verdammt gut. Darf ich ein Stück haben? Das wäre sehr freundlich.“
Gütiger Gott. Hatte der Mann Hunger? Ihr schoss das Blut in die Wangen, ihre Ohren brannten. Okay, sie war in der Pampa, aber dass die Leute hier nicht genug zu essen haben könnten, verstörte sie wirklich. War er deshalb hergekommen? Um nach etwas zu Essen zu bitten?
„Bitte, bedienen Sie sich“, sagte sie schnell. „Schneiden Sie sich so viel ab, wie Sie möchten.“ Sie warf einen Blick auf den Tisch, wo die Butter noch offen stand. „Möchten Sie Wurst? Käse?“
„Nein. Aber haben Sie vielleicht Salz?“
„Salz? Natürlich.“ Der Kerl wurde immer merkwürdiger. Sie stellte es auf den Tisch und nahm mit ihrer Kaffeetasse ihm gegenüber Platz. Er kam mit dem stumpfen Brotmesser besser zurecht als sie und säbelte in schnellen Bewegungen zwei dicke, aber wie ausgemessen gleichmäßige Scheiben ab, strich eine vulgäre Menge Butter darauf und streute Salz darüber. Sie fing ein schmales Lächeln auf, bevor er hineinbiss.
Sie hielt sich an ihrer Kaffeetasse fest, beobachtete den Dampf, der aufstieg, und bewegte ihn mit ihrem Atem. Was, wenn dieser abgewrackte Kerl nun häufiger herkam, wenn er Hunger hatte? Da hatte sie sich ja was Schönes eingebrockt, nachher hielt der sie für eine Wohltäterin oder so was. Andererseits … unangenehm war seine Gesellschaft nicht, solange er sich nicht aufführte wie ein Umweltschutz-Extremist. Seine Art hatte etwas Reizvolles. Er mochte sich ungehobelt benehmen und wie ein Punk aussehen, doch in seinen Gesten zeigte er sich kultiviert.
„Hey“, rief er plötzlich, streckte einen langen Arm über den Tisch und tippte aufs Titelbild der DANCER. Seine Nägel waren rissig, aber sauber. An den Schrammen über den Fingerknöcheln konnte sie noch sehen, dass er mit bloßen Händen in der Erde gegraben hatte. „Schauen Sie mal, das sind Sie.“
„Tatsächlich?“, erwiderte sie trocken und seufzte. „So sieht man sich wieder.“
„Darf ich?“
Auf ihr Nicken zog er die Zeitschrift zu sich. Er biss von seinem Brot ab, blätterte und machte mit vollem Mund ein erstauntes Geräusch, als er das Interview gefunden hatte. „Was haben wir denn da?“ Er grinste schelmisch. „
Das Karriereende hat demnach nicht nur negative Seiten für Sie?
“, las er mitten aus dem Text vor und imitierte die schrille Redakteurin, die das Interview geführt hatte, so treffend, als wäre er dabei gewesen. „
Keineswegs
.“ Nun las er mit leiser, ruhiger Stimme ihre Antwort. „
Es ist eine Chance, verstehen Sie?
“ Nein, die Reporterin hatte das gewiss nicht verstanden. Keiner von denen verstand. Suzanna selbst am wenigsten. „
Ich kann die Verletzung nutzen, um mich wieder vermehrt dem zu widmen, womit ich früher gearbeitet habe. Mein Vater sagte immer, das Handwerk hätte goldenen Boden, und inzwischen verstehe ich, was er damit meinte. Ich werde eine Pause brauchen, um meine Batterien wieder aufzufüllen und dann die Dinge tun, die ich zu
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