Schwanentanz
arme London-Sue.
Er räusperte sich, als hätte sie ihn bei etwas Verbotenem erwischt, nicht sich selbst. „Nun gut. Der Grund, warum ich hier bin, wird dir nicht gefallen, Suzanna.“
Mit einem Mal war er vollkommen ernst und die Spannung, die eben noch in der Luft geknistert hatte, verpuffte ohne Rauch und ließ klares Unbehagen zurück. Was bitte war nun kaputt? Hatte sie den Fliederzweig nicht schnell genug ins Wasser gestellt und Brandon verärgert?
„Mir gefällt es auch nicht“, murmelte er in Richtung Tischplatte, als würde er mit sich selbst sprechen. Dann blickte er auf, allerdings ohne sich das Haar aus der Stirn zu streichen, sodass er sie sicher sah, sie aber nicht in seiner Miene lesen konnte. „Es wäre besser, wenn du in die Stadt zurückgehst.“
„Wie bitte?“
„Oder dir ein anderes Haus suchst. Leitrim ist groß, es gibt hier eine Menge schöner Orte und …“
Suzanna hob die Hände. Er verstummte und steckte sich rasch den letzten Kanten Brot in den Mund, als würde sie es ihm sonst wegnehmen. „Weißt du, was ich wirklich satthabe, Brandon?“, sagte sie leise, darum bemüht, dass ihre Stimme harmlos klang und er die Wut, die sich in ihr zusammenbraute, nicht erkannte. „Es nervt mich schrecklich, wenn Leute meinen, mir sagen zu können, was ich zu tun und zu lassen habe.“ Wie gut, dass er den Mund zu voll genommen hatte. So konnte er nicht widersprechen. Seine vagen Geräusche und das Kopfschütteln ignorierte sie und sprach weiter.
„Sue, das ist zu anstrengend. Sue, das ist doch nichts für dich. Sue, das ist gefährlich! Tu dies, Sue, lass jenes! Rauch nicht, Sue, trink nicht und iss um Gottes willen ab dem Mittag keine Kohlenhydrate mehr. Iss am besten überhaupt keine Kohlenhydrate, Sue!“ Sie geriet in Rage und ließ an diesem Kerl all die Wut auf Agenten, Trainer, Direktoren und Ballettmeister aus, die sie über all die Jahre angesammelt und runtergeschluckt hatte. „Ünd niemals vergiss dein Läscheln in jedes verflüchtes Kamera, ma chère!“, äffte sie einen Choreografen nach. Die Contenance war ihr verloren gegangen, aber es tat gut, wütend zu sein, und so hatte sie überhaupt kein Interesse daran, sie wiederzufinden. Ihr Stuhl ratschte über die Dielen, als sie aufsprang. „Es reicht. Ich hab die Schnauze voll! Ich entscheide, was ich tue, wann ich es tue und wo ich es tue. Ich sage, dass ich das Haus bewohnbar bekomme und ich bekomme es bewohnbar! Ich entscheide, dass die blöde Spinne mich nicht hysterisch macht, und sie macht mich nicht hysterisch. Ich will hier eine Weile Pause machen. Und du kannst dich gerne auf den Kopf stellen, Brandon, aber ich mache meine verdammte Pause. Hier!“
Er schluckte, als hätte er Holz zerkaut statt Brot. „Das war deutlich. Du willst es dir wirklich nicht noch mal überlegen?“
Seine Stimme klang auf eisige Art bedauernd. Was ihr einen Schauder über den Rücken laufen ließ, waren die Worte, die er nicht sagte: Du würdest es bereuen, zu bleiben. Sie verbot sich den Gedanken. Das war absurd, sie interpretierte Dinge in seine Aussage, die er nie gesagt hatte. Es zeigte erneut, wie dringend sie Urlaub brauchte.
„Warum sollte ich?“
Er wies durchs Fenster nach draußen. „Der Garten sieht nach viel Arbeit aus. Nicht gerade das, was man unter Pause versteht.“
Ach daher wehte der Wind. Entweder befürchtete dieser Spinner – dieser verboten sexy Spinner –, sie würde seinen Blümchen etwas zuleide tun, oder er wollte sich bequem einen Job als Gärtner beschaffen. Aber so nicht, Freundchen. Nicht mit ihr!
„Der Garten ist gut, wie er ist. Ich habe nicht vor, dort etwas zu ändern.“
„Nichts?“ Er nahm die Hände unter den Tisch. Vielleicht, um sie ineinanderzukrallen. Seine Schultern machten einen verspannten Anschein. „Du willst nicht mal ein paar Bäume fällen lassen, damit du hier … mehr Licht hast? Sicher nicht?“
Sie schnaubte. Die Idee war gar nicht so schlecht, kam aber nicht infrage. „Das Grundstück gehört mir nicht mal. Ich werde hier keinen Apfel aus den Ästen pflücken, der mir nicht von allein vor die Füße fällt.“
Er schien ein wenig zu entspannen, lehnte sich im Stuhl zurück und hob die Hände, um die Fingerspitzen aneinanderzulegen. „Und die Einbrecher machen dir auch keine Angst?“
„Einbrecher.“ Sie wiederholte das Wort staubtrocken und hustete, um dies zu untermalen.
Er erhob sich, machte zwei Schritte auf sie zu. Sie konnte sich nicht erinnern,
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